Bodenlose Tiefe
lehnte sich zurück. »Und wenn du glaubst, ich würde dich allein nach Cadora fahren lassen, dann musst du verrückt sein. Wir haben eine Abmachung und die besagt, dass ich Archer erledige, wenn du mir Marinth gibst.
Du bleibst hier und lässt mich meinen Job tun.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin der Köder. Ich bin die Einzige, die ihn zu den Schrifttafeln führen kann.«
»Selbst wenn er wirklich glaubt, dass er dich endlich in der Tasche hat, wird er auf Nummer Sicher gehen«, sagte Kelby.
»Er wird dafür sorgen, dass du hilflos bist. Genauso, wie er dich haben will.«
Kafas. Er wollte sie wieder in ein Haus wie das Kafas stecken.
Einfach nicht darüber nachdenken. Es würde nicht passieren.
»Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass ich nicht hilflos bin, nicht wahr?« Sie trat ans Kabinenfenster. »Ich will dich nicht ausschließen. Das wäre dumm. Schließlich habe ich dich mit in diese Sache hineingezogen, weil ich deine Hilfe brauchte.
Aber ich muss diejenige sein, die ihm die Falle stellt.«
Kelby fluchte leise vor sich hin. »Nein, du musst nicht diejenige sein. Wir brauchen diese verdammten Forschungsunterlagen nicht, um ihn zu kriegen. Ich habe dir gesagt, dass Nicholas rausgefunden hat, wo sein Schiff liegt.«
»Das ist mir zu unsicher. In Tobago ist er dir schon einmal entwischt. Er braucht bloß morgen früh die Anker zu lichten und zu verschwinden.« Sie spürte seine Wut und seinen Frust und fuhr hastig fort, ohne ihn anzusehen: »Die Truhe befindet sich in einem Wäldchen auf dem Westhang des Berges, auf einer Lichtung unter dem einzigen Lavafelsen, der dort rumliegt. Sie ist nur knapp einen Meter tief vergraben und der Boden dort besteht nur aus Sand und Steinen. Wenn er den Felsbrocken erst mal weggeschoben hat, wird er nicht lange brauchen, um die Truhe auszugraben. Ich denke, du solltest mit Nicholas im Wald warten, bis er mit Graben fertig ist. Aber du hast Recht, Archer wird auf Nummer Sicher gehen. Er wird mich auf Waffen durchsuchen und Verstärkung mitbringen, für den Fall, dass ich nicht das winselnde Häufchen Elend bin, das er erwartet. Meinst du, ihr könnt euch verstecken, falls sie den Wald durchsuchen?«
»Ja, verdammt. Was glaubst du, was wir in unserer Ausbildung gelernt haben? Aber ich habe keine Lust, mich im Wald zu verstecken. Ich will Archers Schiff versenken.«
Sie ging nicht darauf ein. »Wenn sie die Truhe gefunden haben und anfangen, sich die Unterlagen anzusehen, werden sie alles andere vergessen. Das ist der Augenblick, in dem du dir Archer schnappen kannst.«
»Während du daneben stehst? Er wird dich sofort erschießen.
Du wärst vollkommen hilflos.«
»Nein, ich werde nicht hilflos sein. Weil du in der Nähe des Verstecks eine Waffe für mich hinterlegen wirst. Am nördlichen Ende der Lichtung stehen zwei Kiefern. Leg die Pistole unter den links stehenden Baum und bedecke sie mit Laub und Zweigen. Dann kann ich sie mir holen, sobald ihr zuschlagt.«
»Lass mich eins klarstellen. Du bist nicht schneller als ein Pfeil. Das war nur ein Scherz. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass er dich erschießt, bevor du die Bäume erreichst.«
Sie schüttelte den Kopf. »Es sind nur ein paar Meter. Wenn ihr sie ablenkt, müsste ich es schaffen.«
» Müsste? Das Wort gefällt mir nicht.«
»Ich werde es schaffen. Klingt das besser?«
»Nein.« Er stand auf. »Es ist Blödsinn. Das hast du dir ja schön ausgedacht. Du hast das alles schon lange geplant, stimmt’s?«
»Seit Carolyns Leiche gefunden wurde.« Sie drehte sich zu ihm um. »Er muss sterben, Kelby. Er ist wie eine bösartige Geschwulst.«
»Und du willst ihn eigenhändig töten.«
»Er ist ein Mörder.« Sie schluckte. »Nein, er ist mehr als das.
Er ist Irmak und all die perversen Männer, die ins Kafas gekommen sind und mich vergewaltigt und gedemütigt haben.
Ich habe nie eine Gelegenheit bekommen, einen von ihnen zu bestrafen, aber Archer kann ich bestrafen. Ich muss ihn bestrafen, Kelby.«
Er sagte eine Weile nichts, aber sie spürte, wie aufgewühlt er war. »Das kann ich verstehen.« Er wandte sich ab. »Und auch wenn’s mich um den Verstand bringt, ich werde dir dabei helfen.«
Nicholas lag faul auf dem Bett, als Kelby in seine Kabine kam.
»Hat er angerufen?«
Kelby nickte.
»Archers Schiff?«
»Nein, Cadora«, erwiderte er knapp. »Ich konnte es ihr nicht ausreden. Morgen Abend um zehn. Sie ist der Köder. Wir sind die Falle. Wenn sie uns eine Chance gibt, sie
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