Bodenrausch
mittlerweile durch westliche Kameras und Mikrofone publik gemacht wurde und auch wenn der UN-Menschenrechtskommissar das Verhalten der Regierung ausdrücklich rügt, es ändert sich nichts. Kambodscha ist ein Brennpunkt in Sachen Bodenraub geworden. 27
Die Bewohner des Dorfes Dey Krahom wurden von den Planierraupen überrascht. Sie haben die Schreckensherrschaft des Pol-Pot-Regimes überlebt, aber heute, meinen sie, sei es noch gefährlicher als damals. Heute vernichtet der Landraub ihre Existenz.
Sie gehören zum Volk der Steng. Sie lebten von Reis und Maniok, auf Waldlichtungen richteten sie ihre Felder ein und der Wald gab ihnen Früchte, Honig und Brennholz. Unter ihren Stelzenhäusern grunzten Schweine, gackerten Hühner, im Fluss fischten sie Aale. Das war ihre Lebensgrundlage, bis sich im Mai 2008 alles änderte. Bäume splitterten, eine Batterie von Bulldozern rückte an, ihre Felder wurden platt gewalzt, um den Boden für eine Gummiplantage zu ebnen. Der Investor im Hintergrund nannte sich CIV Development Company, eine vietnamesische Kautschukkompanie. Das Land wurde ihr vom Provinzgouverneur für 99 Jahre verpachtet.
Die Steng wussten, dass es illegal war, denn sie lebten in einem offiziell anerkannten Schutzgebiet. Ihr Protest drang bis Phnom Penh und hatte Erfolg, die Bulldozer wurden zurückgepfiffen, aber die Gummibäume, die bereits gepflanzt waren, durften bleiben. Auch die Setzlinge zum Ausweiten der Plantage blieben, und damit die Angst, dass der ganze Spuk schon morgen weitergehen könnte, wenn sich Kameras und Mikrofone der Weltöffentlichkeit zurückgezogen haben.
Tiefer im Land, in der Provinz Battambang, ging der Protest gegen den Landraub durch ein südkoreanisches Unternehmen nicht so friedlich aus. Am 26. April 2010 wurde dort der Anführer der protestierenden Bauern von Unbekannten erschossen. 28
Die Brutalität der Landnahme kennt offenbar keine Grenzen. So berichten Anwohner aus einer anderen Region, in der 20000 Hektar an einen Zuckerkonzern vergeben wurden, dass man sie von dort mit Schlägen und Schüssen vertrieben habe. Im Tross des Zuckerbarons fuhr ein Feuerwehrwagen, der statt mit Wasser mit Benzin gefüllt war. Damit bespritzten die Schergen die Strohdächer der Häuser und zündeten sie an. Verbrannte Erde. Für ihr Land haben die Vertriebenen keine Entschädigung erhalten, auf ihre Reisfelder dürfen sie nicht zurück, die Wachen des Zuckerkonzerns drohen mit Gewalt.
Ginge es nach Recht und Gesetz, müsste ihr Eigentumsanspruch anerkannt werden. Denn wer in Kambodscha ein Stück Land für mindestens fünf Jahre bewirtschaftet, kann es sein Eigen nennen – doch ein Gericht für ihre Beschwerde haben sie nicht gefunden. »Die Gerichte sind parteiisch. In Landkonflikten besteht die Aufgabe der Justiz im Wesentlichen darin, die Interessenvertreter/-innen der Gemeinden mundtot zu machen und deren Widerstand zu brechen«, berichtet Manfred Hornung nach eigenen Recherchen. Das Land werde zum Teil zu Spekulationszwecken enteignet. Die Bodenpreise seien explodiert und hätten den Hunger der nationalen Eliten erst richtig geweckt. Hornung zählt ein sprunghaftes Anwachsen von aktenkundigen Landkonflikten: Im Jahr 2003 seien es 2600 Fälle gewesen, 2008 bereits 16000 Auseinandersetzungen. In die Konflikte mische sich verstärkt das Militär ein, was von der Regierung bewusst gefördert werde durch eine Art Patenschaft zwischen den Agrarkonzernen und den Militärs. 29
Auch Europa trägt Verantwortung für derartige Zustände. David Pred, Beobachter der kambodschanischen Menschenrechtsbewegung Bridges across Border (BAB) stellt klar: »Europa unterstützt den Landraub in Kambodscha, indem es Unternehmen Vorzugsbehandlungen gewährt, die ihre Ware auf gestohlenem Land produzieren.« 30
Gemeint sind die Zuckerimporte, die Europa in seinem Programm »Everything but arms« zollfrei passieren lässt. Erst diese Politik habe die großen Zuckerplantagen in Kambodscha möglich gemacht und dazu beigetragen, dass Tausende von Familien in drei kambodschanischen Provinzen vertrieben und ins Elend geschickt wurden. Die versprochenen Arbeitsplätze auf dem Land habe es in den bekannt gewordenen Fällen nicht gegeben. Eine Zuckerrohrplantage im Gebiet Oddar Meanchey habe 5000 Arbeitsplätze in Aussicht gestellt, aber innerhalb von drei Jahren nur 100 geschaffen, mit einem Tageslohn von 2,50 US-Dollar. 31
Walden Bello, Menschenrechtsanwalt und Träger des Alternativen Nobelpreises 2003,
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