Bodenrausch
hinnehmen. Er trat mit 50 weiteren Bauern den langen Marsch nach Manila an, er wollte die Präsidentin mit dem Rechtsbruch konfrontieren und das Land für sein Dorf zurückhaben. Es ging um 144 Hektar und es ging um das Prinzip, das durch die Landreform verwirklicht werden sollte: jedem Bauern sein eigenes Land, auf dem er sich und seine Familie ernähren kann.
Die Präsidentin zögerte zunächst, entschied sich aber am Ende doch für die Bauern, die mit ihrem Marsch Zeitungen und Fernsehen auf ihre Seite gebracht hatten. Ohne die Öffentlichkeit wäre der Fall im Sande verlaufen. Der katholische Bischof von Manila, Broderick Pabillo, sagte in die laufenden Kameras, es gebe nicht genug politischen Willen im Land. 36
Bereits vor Jahrzehnten hatte das Land unter dem Druck der Weltbank aufgehört, in die eigene Landwirtschaft zu investieren, seither ist es von einem der größten Reisexporteure zu einem der größten Reisimporteure der Welt geworden. Und selbst das reicht nicht, um alle Philippinos satt zu machen. Ohne die Hilfe der internationalen Gemeinschaft würde in Teilen des Landes Hunger ausbrechen, wie 2008, als die Lebensmittelpreise explodierten.
Dennoch verhandelte die damalige Präsidentin Gloria Arroyo im Dezember 2008 über einen Pachtvertrag mit dem Ölstaat Katar, es ging um 100000 Hektar.
Walden Bello, der Menschenrechtsanwalt aus Bangkok, sieht hierin den Beginn einer neuen Welle von Landflucht, die in Arbeitslosigkeit und Elend in den Slums um Manila enden werde. »Das kann sich zu einer explosiven Lage verdichten, besonders wenn man ein so großes Maß an Menschen ohne Land hat wie auf den Philippinen, wo sieben von zehn Menschen keinen Zugang zum Boden besitzen.« 37
Auch diejenigen, die zu den Landbesitzern gehören, leben auf unsicherem Boden, der jederzeit von Flutwellen fortgespült werden kann. So wie auf Mindanao am vierten Adventswochenende 2011, wo Hunderttausende Menschen durch die Sturzfluten des Tropensturms Washi ihr Dach über dem Kopf verloren und mehr als 1200 starben.
Auch Indonesien gehört zu den Landverkäufern auf dem Weltmarkt. Einer der größten Kunden dort ist Saudi-Arabien, das sich den Zugang zu zwei Millionen Hektar Land verschaffte, vor allem für die Reisproduktion. Zusätzlich sicherte sich die Binladin Group 500000 Hektar in der Provinz Papua für den Reis- und Palmölexport. 38
Auch hier wird der Landraub nach außen gegenüber internationalen Organisationen und der Weltöffentlichkeit als Win-win-Story verkauft, die die koloniale Landnahme im 21. Jahrhundert rechtfertigen soll. Wer genauer hinschaut, erkennt den Betrug, der in vielen Fällen ein Betrug am eigenen Volk ist. 39
Im Jahr 2008 verabschiedete die Regierung das »Presidential Decree No. 5«. Es sollte den Rahmen für Investoren abstecken, die in der indonesischen Landwirtschaft Geld anlegen wollten. Wer investierte, sollte davon mindestens 70 Prozent für die Produktion von Nahrungsmitteln, 9 Prozent für Tierhaltung und 8 Prozent für Fischwirtschaft ausgeben. Tatsächlich kam alles ganz anders.
Wie die verantwortliche Behörde der Investment Coordination Body District of Merauke 2009 feststellte, wurden nur 4 Prozent der Fläche für Nahrungsmittel verwendet, nichts für Viehhaltung oder Fischwirtschaft, der größte Teil ging in die Palmöl- und Zuckerrohrplantagen, die industrielle Holzwirtschaft und in den Industriemaisanbau. Von einer Fläche von 1,6 Millionen Hektar blieben nur 69000 Hektar für die Nahrungsmittelproduktion übrig. 40
Die Organisation der indonesischen Kleinbauern sieht sich von der Politik der eigenen Regierung an die Wand gedrängt, erklärt Yulian Junaidi Jasuan von der indonesischen Kleinbauernorganisation Indonesia Peasant Union/La Via Campesina. Sie bekämen nichts ab von neuen Flächen, die für die Landwirtschaft ausgewiesen werden, würden stattdessen aber von ihren angestammten Feldern zusehends verdrängt. Neuerdings konkurrieren sie nicht nur mit großen Palmölplantagen, sondern immer mehr mit Unternehmen, die Land- und Waldgebiete kaufen, um dort »Klimaschutz« zu betreiben.
Unter dem sogenannten REDD-Mechanismus der UN-Klimakonvention verdienen sie damit gutes Geld. REDD steht für »Reducing Emissions from Deforestation and Degradation«, das Verringern von Treibhausgasen durch Erhalten von Wäldern und Wiederaufforstung.
In Indonesien werden nach den Recherchen von Yulian Junaidi Jasuan von der University of Sussex schon 26,5 Millionen Hektar
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