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Bodin Lacht

Bodin Lacht

Titel: Bodin Lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Schenk
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schneien ließ. Sollte er es sich im Wohnzimmer am Kamin gemütlich machen oder seinen Laptop anschalten? Das Licht des Bildschirms mit dem blauen Hintergrund und das Klicken der Tastatur ersetzten ihm schließlich das wärmende Kaminfeuer. Er las die WDR -Nachrichten und stockte, hielt sich mit beiden Händen am Schreibtisch fest, sein Herz klopfte bis zum Hals: Ein Verdächtiger im Fall Evelyn Gorda sei festgenommen und verhört worden. Bodins Aufregung war so stark, dass er die falschen Tasten oder alle Tasten zusammen drückte, als er versuchte, mehr Text zu lesen, das Programm stürzte ab. Er musste das Gerät noch einmal hochfahren und zwischen zwei Blitzen des Bildschirms beschloss er, sofort nach Deutschland zurückzukehren, obwohl er dort nichts mehr erfahren würde und bei den Suters noch einige Tage bleiben durfte. Und er sollte jetzt Paula und Martin anrufen, vielleicht wussten sie mehr, als man im Internet finden konnte.
    Mitten in diesen Überlegungen hörte er, wie man an seine Tür klopfte. Darf ich reinkommen?, hörte er Marions fast höfliche Stimme. Ja, brummte Bodin, und das Kind hüpfte an ihm vorbei und warf sich aufs Bett.
    Hierher, befahl Bodin und wies auf den Stuhl, von dem er ein hingeworfenes Hemd wegnahm. Na, bist du heute als Rotkäppchen unterwegs?, versuchte er freundlicher zu klingen. Marion lächelte entzückt und zupfte an ihrem roten Jäckchen. Sie trug dazu einen roten Schal mit weißen Punkten.
    Helfen Sie mir beim Vokabelpauken, Herr Bodin?, fragte sie. Sie stand nicht auf und reichte ihm nur das Englischbuch, das sie auf der richtigen Seite geöffnet hatte.
    Von mir aus, brummte Bodin, obwohl sich alles in ihm dagegen sperrte. Sind deine Eltern denn nicht da?
    Nee, die sind mit meinem Bruder zum Kinderarzt. Eine Impfung oder sowas.
    Bodin seufzte. Tür zu, befahl er, es zieht ja fürchterlich. Marion stand auf, schloss die Tür, und machte es sich wieder auf dem Bett gemütlich.
    Er blieb am Schreibtisch sitzen und begann mit dem Abfragen von Vokabeln. Seine Gedanken aber kreisten weiter um Evelyn Gorda, deren Bild eben auf dem Bildschirm geflackert hatte. Die Spur führte zu einem Ring angeblicher Künstler, die unter dem Vorwand, junge Frauen als Modelle einzustellen, sie mehr oder weniger in die Prostitution trieben. Marion zögerte vor jeder Antwort und sagte, wenn er ihr das gesuchte Wort vorgab, ach ja, stimmt, das wusste ich doch. Am Ende der Liste angelangt befahl ihr Bodin sehr trocken, wieder in ihr Zimmer zu gehen, sich auf ihre vier Buchstaben zu setzen und die Vokabeln richtig zu lernen, bevor er sie abfragte, sie müsse sich verdammt noch einmal jedes Wort aufschreiben und vor sich hersagen, und erst zu ihm kommen, wenn sie alles auswendig gelernt hatte. Ich habe keine Lust, jammerte Marion schmollend, und der müde Bodin freute sich, dass er keine Kinder in die Welt gesetzt hatte und deshalb keine aufdringlichen Enkel sein Leben störten, die er die nicht gelernten englischen Vokabeln abfragen musste.
    Ich werde bald wieder nach Hause fahren, sagte er, vielleicht sogar morgen, spätestens übermorgen, dann musst du selbständig arbeiten, deshalb solltest du dich jetzt sofort wieder daran gewöhnen.
    Warum denn?, fuhr Marion erschrocken hoch, wieso schon morgen? Sie war endlich von seinem Bett aufgestanden, zwirbelte an ihrem Jäckchen. Ich möchte nicht, dass Sie gehen! Sie klang so aufrichtig betrübt, dass Bodin berührt war, ja schon fast versöhnt, dennoch reichte er ihr das Englischbuch zurück und hoffte, dass er jetzt in Ruhe Paula anrufen könnte. Du darfst gleich wiederkommen, sagte er, wenn du die Vokabeln kannst, okay? Marion schüttelte den Kopf. Sie können doch bis Weihnachten bleiben, sagte sie. Gefällt es Ihnen nicht bei uns? Doch, aber ich muss nach Deutschland zurück, sagte Bodin, ohne weitere Erklärungen. Gut, sagte Marion, dann lassen wir die blöden Vokabeln mal weg. Sollen wir was miteinander spielen? Ich habe keine Lust mehr auf Englisch. Wenn du deine komischen Videospiele meinst, sagte Bodin, nein danke, nichts für alte Herren. Ich habe aber auch altmodische Gesellschaftsspiele, kokettierte Marion, bitte, bitte. Sie zog ihn an der Hand und er folgte ihr unwillig. Du lernst nicht gern und ich spiele nicht gern, Marion, ich kann überhaupt kein Spiel spielen, es gibt keinen schlimmeren Spielemuffel als mich. Kommen Sie, lachte sie,

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