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Bodin Lacht

Bodin Lacht

Titel: Bodin Lacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvie Schenk
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benachrichtigen, schlüpfte in seine Hose und trat leise zur Tür, um durch den Spion zu gucken, fest entschlossen, nicht zu reagieren. Als er aber sein Auge an den Spion legte und linste und linste, weil er diesem Auge nicht traute und nicht glaubte, dass die verzerrte Person in seinem Sichtfeld wirklich die Person war, die er kannte, erst als ein Hämmern an der Tür, das bis in seine Stirn vibrierte, und ein lautes Rufen nach seinem Namen ihn aufschrecken ließ, öffnete er die Tür. Liliane Hoffmann trat ein, sagte »na endlich«, während er einen Schritt zurückging, machte sie selbst die Tür wieder zu und grinste: Du siehst ganz schön doof aus, wenn du den Mund so aufsperrst.

FELD 51: KREISE IM SCHNEE
    Die Dichter, die Künstler und die ganze menschliche Rasse wären sehr unglücklich, wenn das Ideal, diese Absurdität, diese Unmöglichkeit, gefunden wäre. Was würde dann jeder einzelne mit seinem armseligen Ich anfangen – mit seiner gebrochenen Linie?
    C HARLES B AUDELAIRE, Salon de 1846
    Als am nächsten Tag die Sonne die Gipfel wieder streifte, vollendete er die angefangene Wanderung. Auf dem Kamm angelangt, war von den wilden Hunden nichts mehr zu sehen.
    Nach wenigen Tagen hatte er das Gefühl, gut trainiert zu sein, und bat einen Bergführer, ihn zu einer größeren Tour mitzunehmen. Sie liefen fast wortlos sieben Stunden in den weißen Bergen, das Schweigen des Bergführers passte zu der weißen Landschaft, zu der Windstille und zu Bodins Stimmung. Er schwitzte, keuchte, hatte aber eine Art Ruhe der bösen Gedanken erlangt, die, je höher er stieg, an den Hängen und Klüften des Weges zu zerbrechen schienen. Im Grunde verwirklichte er selbst erfolgreich das Programm, das er damals Christine Droemer abverlangt hatte. Beim Pausenbrot konnte er den Führer fragen, ob er eine deutsche Touristin namens Christine Droemer gekannt hätte, er oder vielleicht einer seiner Kollegen. Droemer? Nein, der Name sagte dem Bergführer nichts. Er hatte natürlich mehrmals mit deutschen Kunden zu tun gehabt, die Namen hatte er, klar doch, nicht alle behalten können. Aber eine Deutsche im Dorf außerhalb der Ferienzeiten und eine, die einen Hiesigen geheiratet hätte, nein, man wisse doch Bescheid. Er fragte aber am nächsten Tag schon die Bergführer oder Skilehrer des Dorfes, ob sie einen Kollegen kannten, der eine deutsche Lebenspartnerin habe oder gehabt habe. Einige waren sogar so freundlich, zu telefonieren und hier und da zu recherchieren. Eine junge Deutsche? Vor acht Jahren? Mein Gott, es gab so viele Touristen, niemand habe von einer Christine Droemer gehört. Allerdings waren in den letzten Jahren einige dieser Kollegen umgezogen, nach Zermatt zum Beispiel oder St. Moritz und Davos, wo man besser sein Brot verdienen konnte als hier. Zwei von ihnen waren tot, der eine war in einer Lawine umgekommen, der andere war zusammen mit zwei Gästen bei einer alpinen Tour gestürzt, ein dritter hatte sich nach Tibet zurückgezogen.
    Bodin begann, seinen Wunsch nach einem Wiedersehen mit Christine Droemer lächerlich zu finden. Er fand eine Art Glück und Frieden, wenn er in das gleißende Licht des Morgens trat und seinen Blick über die weißen Gipfel schweifen ließ. Seine Wirtin hatte ihm geraten, Skilanglauf zu versuchen, da einige Loipen frisch angelegt worden waren. So hatte er sich ein paar Langlaufskier besorgt und einige Unterrichtsstunden bei einem Skilehrer genommen. Er beherrschte schnell die nötige Technik und ließ seine Skier in den kreisförmigen Wegen gleiten, wie die Nadel auf einer kilometerbreiten Uhr. Er freute sich, seinem Körper etwas Neues zuzumuten und allein neue Wege im Tal zu entdecken. Seine Bemühungen um Orientierung auf Skipisten oder beim Kraxeln im Berg lenkten ihn von der Verlorenheit im Leben ab. Bald könnte er sein Verlangen und seine Suche nach Christine Droemer als abgeschlossen betrachten – eine acht Jahre lange Loipe, die sich schloss. Und, wer weiß, damit könnte letztmöglich auch eine viel ältere Wunde aus der Kindheit genesen.
    Höchstens wenn er am späten Nachmittag zusah, wie die Berge in der Dunkelheit untergingen, oder wenn es heftig schneite und er im Chalet bleiben musste, spürte er das Bedürfnis, mit jemand Vertrautem über seine Schneeerlebnisse zu sprechen, und es packte ihn eine Art Sehnsucht nach nicht existierenden

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