Body Farm
Überraschenderweise war der wissenschaftliche Mitarbeiter, dem ich eigentlich eine Nachricht hinterlassen wollte, anwesend, aber in meinem Beruf gibt es viele, die anscheinend immer arbeiten, und Woche nenden scheint es nur für die anderen zu geben.
»Ich habe tatsächlich alles mit den Fotos gemacht, was ich konnte«, sagte er und meinte damit die Verbesserung der Bildschärfe, an der er seit Tagen arbeitete.
»Nichts herausgekommen?« fragte ich enttäuscht.
»Ich habe es ein bißchen ausgefüllt. Es ist etwas klarer geworden, aber ich kann nicht im mindesten erkennen, was das sein soll.«
»Wie lange sind Sie heute noch im Labor?«
»Eine oder zwei Stunden.«
»Wo wohnen Sie?«
»In Aquia Harbor.«
Mir hätte der tägliche Pendelverkehr dorthin keinen Spaß gemacht, aber eine erstaunlich große Zahl Washingtoner Agenten wohnen dort mit ihren Familien - oder in Stafford und Montclair. Aquia Harbor lag etwa eine halbe Stunde Fahrt von Wesleys Haus entfernt.
»Ich bitte Sie gar nicht gern darum«, fuhr ich fort. »Aber es ist äußerst wichtig, daß ich so bald wie möglich einen Abzug von dieser Vergrößerung bekomme. Könnten Sie ihn wohl bei Benton Wesley vorbeibringen? Es wäre ein Umweg von etwa einer Stunde für Sie.«
Er zögerte und sagte dann: »Das ginge, wenn ich gleich losfahre. Ich rufe ihn zu Hause an und lasse mir den Weg beschreiben.«
Ich griff nach meiner Reisetasche und packte. Den Revolver legte ich erst hinter der verschlossenen Tür der Damentoilette im Flughafen von Knoxville in die Aktentasche zurück, dann ging ich durch die Routinekontrolle und gab an, was in der Reisetasche war. Sie wurde mit dem üblichen orangefarben fluoreszierenden Anhänger gekennzeichnet, und wieder fiel mir das sonderbare Gewebeband im Steiner-Fall ein. Warum hatte Denesa Steiner ausgerechnet dieses grell orangefarbene Band benutzt, und woher hatte sie es? Ich sah keine Verbindungen zwischen ihr und Attica. Nein, das Gefängnis von Attica hatte mit diesem Fall nichts zu tun, dessen war ich mir ziemlich sicher. An Bord der kleinen Propellermaschine nahm ich meinen Sitz am Gang ein und war so sehr in meinen Überlegungen gefangen, daß ich nichts von der Spannung bemerkte, die sich unter den übrigen, etwa zwanzig Passagieren breitgemacht hatte.
Dann bemerkte ich plötzlich, daß Polizei an Bord war. Einer der Beamten sagte etwas zu jemandem draußen vor der Maschine, während sein Blick schnell und verstohlen von einem Gesicht zum anderen wanderte. Ich kannte diese Auftritte sehr gut und fragte mich, wachsam geworden, wer wohl der Gesuchte sein und was er getan haben mochte. Blitzschnell ging ich die Möglichkeiten durch, wie ich reagieren würde, wenn er plötzlich von seinem Sitz aufspringen und losrennen würde. Ich würde ihm ein Bein stellen. Oder ich würde ihn von hinten festhalten, wenn er vorbeikäme.
Es waren drei Beamte, die nun, keuchend und schwitzend, den Gang entlang kamen. Einer blieb vor mir stehen. Sein Blick fiel auf meinen Gürtel. Ehe ich mich's versah, legte er die Hand an seine halbautomatische Pistole und entsicherte sie. Ich rührte mich nicht.
»Ma'am«, sagte er in höchst offiziellem Polizeiton, »Sie müssen mit mir kommen.« Ich erschrak.
»Ist das Ihr Gepäck dort unter dem Sitz?«
»Ja.«
Adrenalin schoß mir ins Blut. Die übrigen Passagiere waren verstummt. Der Beamte bückte sich schnell und zog meine Handtasche und die Reisetasche hervor, ohne mich dabei auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Ich stand auf, und sie führten mich hinaus. Was war geschehen? Mein erster Gedanke war, daß mir jemand Drogen in die Tasche geschmuggelt haben mußte. Das konnte nur Denesa Steiner gewesen sein. Hektisch sah ich mich auf der Rollbahn um, suchte die Fensterscheiben des Terminals ab. Ich hielt Ausschau nach jemandem, der mich beobachtete, nach einer Frau, die sich im Schatten hielt und es genoß, mich erneut in eine schwierige Situation gebracht zu haben.
Jemand vom Bodenpersonal in rotem Overall zeigte auf mich. »Das ist sie!« sagte er aufgeregt. »Es ist an ihrem Gürtel!« Jetzt wußte ich gleich, worum es ging.
»Das ist nur ein Funktelefon.« Ich hob vorsichtig die Ellbogen, damit sie mir unter die Jacke schauen konnten. Wenn ich Hosen trug, hatte ich das Funktelefon oft am Gürtel. Dann mußte ich nicht immer in meinen Taschen danach graben.
Einer der Polizeibeamten rollte die Augen. Der Mann vom Bodenpersonal sah ihn völlig entgeistert an. »Oh, nein«,
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