Body Farm
aus der Tür war.
Wren kletterte in sein Bett und deckte sich mit einer Wolldecke zu, die die Farbe von Bubblegum hatte. Die Vorhänge waren mit Baseballmotiven bedruckt. Dahinter sah man die Umrisse von Trophäen. An der Kiefernholztäfelung hingen die Poster diverser Sportheroen, aber ich erkannte keinen außer Michael Jordan, der wie üblich in der Luft schwebte, seine Nikes an den Füßen, und wie ein überirdisches Wesen wirkte. Ich zog einen Stuhl nah ans Bett und kam mir plötzlich schrecklich alt vor.
»Welchen Sport treibst du?« fragte ich Wren.
»Ich spiele bei den Yellow Jackets«, antwortete er mit strahlendem Gesicht. Offenbar sah er in mir eine Verbündete, die ihm dazu verhalf, noch eine Weile aufzubleiben.
»Die Yellow Jackets?«
»Das ist mein Team in der Little League. Wir schlagen hier alle rundherum, müssen Sie wissen. Es wundert mich, daß Sie noch nie von uns gehört haben.«
»Ganz sicher hätte ich von euch gehört, wenn ich hier wohnte, Wren. Aber das ist nicht der Fall.«
Er betrachtete mich wie ein exotisches Lebewesen in einem Zoo. »Ich spiele auch Basketball. Ich kann zwischen den Beinen dribbeln. Ich wette, das können Sie nicht.«
»Stimmt genau. Das kann ich nicht. Sag, Wren, kannst du mir ein bißchen über deine Freundschaft mit Emily Steiner erzählen?«
Er sah auf seine Hände hinunter, die nervös am Zipfel seiner Decke zupften.
»Kanntest du sie schon lange?« hakte ich nach.
»Ich habe ihr alles gezeigt. Wir sind in derselben Jugendgruppe unserer Kirche.« Er sah mich an. »Außerdem sind wir beide in der sechsten Klasse, haben aber verschiedene Klassenlehrer. Ich habe Mrs. Winters.«
»Hast du Emily gleich kennengelernt, als sie mit ihren Eltern hierherzog?«
»Ich glaube, ja. Sie kamen aus Kalifornien. Meine Mom sagte, dort gibt es Erdbeben, weil die Menschen nicht an Jesus glauben.«
»Scheinbar hat Emily dich sehr gemocht«, sagte ich. »Besser gesagt, sie war wohl mächtig verknallt in dich. Hast du das gemerkt?«
Er nickte und schlug wieder die Augen nieder. »Wren, kannst du mir das letzte Mal schildern, das du sie gesehen hast?«
»Es war in der Kirche. Sie hatte ihre Gitarre mitgebracht, weil sie dran war.«
»Dran womit?«
»Mit der Musik. Normalerweise spielen Owen oder Phil Klavier, aber manchmal war Emily mit der Gitarre an der Reihe. Besonders gut war sie nicht.«
»Wolltet ihr beide euch an dem Nachmittag in der Kirche treffen?«
Seine Wangen liefen rot an, und er sog nervös an seiner Unterlippe, als wollte er sie am Zittern hindern.
»Ist schon in Ordnung, Wren. Du hast nichts Schlimmes getan.«
»Ich hatte sie gefragt, ob wir uns vorher dort treffen«, sagte er leise.
»Wie hat sie reagiert?«
»Sie hat ja gesagt, aber ich sollte es keinem sagen.«
»Warum wolltest du sie vorher sehen?« bohrte ich nach. »Ich wollte wissen, ob sie kommt.«
»Warum?«
Jetzt war sein Gesicht hochrot, und er kämpfte gegen die aufkommenden Tränen.
»Ich weiß nicht«, sagte er nur.
»Wren, sag mir, was passiert ist.«
»Ich fuhr mit dem Rad zur Kirche, nur um zu sehen, ob sie da war.«
»Um welche Uhrzeit war das?«
»Ich weiß nicht, aber es war mindestens eine Stunde vor Beginn des Gruppentreffens«, sagte er. »Und ich habe sie durch das Fenster gesehen. Sie saß drinnen auf dem Boden und übte Gitarre.«
»Und dann?«
»Ich fuhr wieder weg und kam um fünf mit Paul und Will zurück. Die wohnen da drüben.« Er zeigte in die Richtung. »Hast du etwas zu Emily gesagt?« fragte ich. Tränen rannen ihm jetzt über die Wangen. Er wischte sie ungeduldig weg. »Ich habe nichts gesagt. Sie starrte mich dauernd an, aber ich tat, als sähe ich sie nicht. Sie war aufgeregt. Jack hat sie gefragt, was mit ihr los sei.«
»Wer ist Jack?«
»Der Gruppenleiter. Er geht aufs Montreat Anderson College. Er ist enorm fett und hat einen Bart.«
»Was hat sie auf Jacks Frage geantwortet?«
»Sie sagte, sie glaubt, sie kriegt die Grippe. Dann ist sie gegangen.«
»Wie lange vor dem Ende der Gruppenstunde war das?«
»Es war, als ich den Korb vom Klavier nahm. Ich war nämlich mit der Kollekte dran.«
»Das war also fast am Ende der Stunde?«
»In dem Moment rannte sie raus. Sie hat dann eine Abkürzung genommen.« Er biß sich auf die Unterlippe und verkrampfte sich so sehr in die Decke, daß die zarten Knöchel deutlich hervortraten.
»Woher weißt du, daß sie die Abkürzung nahm?« fragte ich.
Er sah mich an und zog laut die Nase hoch. Ich reichte
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