Body Farm
sprachen?«
»Ich weiß nicht. Möglich wäre es. Aber es ist schwer zu sagen.«
»Mrs. Steiner - «
»Nennen Sie mich Denesa.« Ihr Blick war angespannt.
»An was erinnern Sie sich noch bei ihm, bei dem Mann, der in Ihr Haus eingedrungen ist und Sie fesselte?«
»Sie fragen sich, ob es der Mann gewesen sein könnte, der in Virginia den kleinen Jungen ermordet hat.« Ich antwortete nicht.
»Ich erinnere mich an die Fotos von dem Kleinen und seiner Familie im People-Magazin. Ich erinnere mich daran, daß ich das damals so entsetzlich fand, daß ich mir nicht vorstellen konnte, an der Stelle seiner Mutter zu sein. Es war schon schrecklich genug, als Mary Jo starb. Ich glaubte, es nie verwinden zu können.«
»War es Mary Jo, die am plötzlichen Kindstod gestorben ist?«
Hinter Mrs. Steiners tiefem Schmerz blitzte plötzlich Interesse auf, als sei sie beeindruckt oder überrascht darüber, daß ich von dieser Sache wußte. »Sie ist in unserem Bett gestorben. Ich wachte auf, und sie lag tot neben Chuck.«
»Chuck war Ihr Mann?«
»Zuerst fürchtete ich, er könnte sich nachts auf sie gerollt und sie erdrückt haben. Aber die Ärzte sagten, das sei es nicht gewesen, sondern plötzlicher Kindstod.«
»Wie alt war Mary Jo?« fragte ich.
»Sie war gerade ein Jahr alt geworden.« Mrs. Steiner blinzelte unter Tränen.
»War Emily da schon geboren?«
»Sie kam ein Jahr später, und ich wußte schon bald nach der Geburt, daß ihr dasselbe passieren könnte. Sie neigte zu Krämpfen und war so zart. Die Ärzte fürchteten, es könne zu einem Atemstillstand kommen, und daher mußte ich sie ständig im Auge behalten, wenn sie schlief, und kontrollieren, ob sie atmete. Ich weiß noch, daß ich damals wie ein Gespenst herumgelaufen bin, weil ich nie eine Nacht durchschlafen konnte. Immer wieder aufstehen, Nacht für Nacht. Mit dieser entsetzlichen Angst zu leben.« Für einen Moment schloß sie die Augen und schaukelte mit schmerzverzerrtem Gesicht, die Hände fest um die Armlehnen geklammert, in ihrem Sessel.
Mir wurde klar, daß Marino in seiner Wut auf mich nicht mit anhören wollte, wenn ich Mrs. Steiner diese Fragen stellte, und deshalb die meiste Zeit nicht im Zimmer war. In diesem Moment wußte ich, daß er sich völlig in seinen Gefühlen verstrickt hatte, was bedeuten konnte, daß er in diesem Fall nur noch sehr bedingt einsetzbar war.
Mrs. Steiner öffnete die Augen und sah mir gerade ins Gesicht. »Er hat eine Menge Leute umgebracht, und jetzt ist er hier«, sagte sie.
»Wer?«
»Temple Gault.«
»Wir wissen nicht mit Sicherheit, daß er hier ist«, sagte ich.
»Ich weiß es.«
»Woher?«
»Bedenken Sie, was meiner Emily angetan wurde. Es ist genau das gleiche.« Eine Träne rollte ihre Wange herab. »Ich glaube, ich sollte darauf gefaßt sein, daß ich als nächste dran bin. Aber das ist mir gleichgültig. Was habe ich noch zu verlieren?«
»Es tut mir sehr leid«, sagte ich so herzlich, wie ich konnte. »Können Sie mir noch etwas über jenen Sonntag sagen? Sonntag, den 1. Oktober?«
»Wir gingen wie immer morgens zur Kirche. Und zur Sonntagsschule. Anschließend haben wir zu Mittag gegessen, dann ging Emily in ihr Zimmer. Sie übte eine Zeitlang Gitarre. Eigentlich habe ich nicht sehr viel von ihr gesehen. « Sie sagte es mit dem abwesenden Blick eines Menschen, der sich erinnert.
»Wissen Sie noch, ob sie früher als gewöhnlich zu ihrer Jugendgruppe aufgebrochen ist?«
»Sie kam in die Küche. Ich backte Bananenbrot. Sie sagte, sie müsse so früh gehen, weil sie noch Gitarre zu üben habe, und ich gab ihr wie immer etwas Kleingeld für die Kollekte.«
»Was geschah, als sie wieder zu Hause war?«
»Wir haben zu Abend gegessen.« Mrs. Steiner sah mich an, ohne zu blinzeln. »Sie war unglücklich. Und sie wollte Socks ins Haus holen. Ich sagte nein.«
»Wie kommen Sie darauf, daß sie unglücklich war?«
»Emily war ein schwieriges Kind. Sie wissen doch, wie Kinder sein können, wenn sie ihre Launen haben. Sie war noch eine Weile in ihrem Zimmer und ging dann ins Bett.«
»Erzählen Sie mir etwas von Emilys Eßgewohnheiten«, sagte ich. Mir war eingefallen, daß Ferguson sie nach seiner Rückkehr aus Quantico danach hatte fragen wollen, aber dazu hatte er wohl keine Gelegenheit mehr gehabt. »Sie war heikel. Wählerisch.«
»Hat sie am Sonntagabend nach der Rückkehr von der Jugendgruppe aufgegessen?«
»Das gehörte zu den Dingen, über die wir an dem Abend Streit hatten. Sie hat ihr
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