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Body Farm

Body Farm

Titel: Body Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Warum fragst du nicht mich, ob ich es bedaure?«
    »Nein«, sagte ich. »Von uns beiden bist du der Verheiratete.«
    »Wenn ich mich des Ehebruchs schuldig gemacht habe, dann auch du. Dazu brauchte es zwei«, wiederholte er.
    »Meine Maschine geht in einer Stunde. Ich muß gehen.«
    »Darüber hättest du nachdenken sollen, bevor du dieses Gespräch begonnen hast. Jetzt kannst du nicht mittendrin rausmarschieren.«
    »Natürlich kann ich das.«
    »Kay?« Er sah mich an und senkte die Stimme. Über den Tisch hinweg griff er nach meiner Hand.
    Ich nahm mir für die Nacht ein Zimmer im Willard. Wesley und ich hatten ein sehr langes Gespräch und klärten die Dinge weit genug, um die gleiche Sünde noch einmal zu begehen. Als wir früh am anderen Morgen aus dem Aufzug in die Lobby traten, waren wir sehr leise und höflich, als hätten wir uns gerade erst kennengelernt, aber doch schon viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Wir nahmen zusammen ein Taxi zum National Airport und bekamen eine Maschine nach Charlotte. Dort saß ich eine Stunde im US Air Club am Telefon und sprach mit Lucy.
    »Ja«, sagte ich. »Ich werde jemanden suchen, ich bin sogar schon dabei«, versicherte ich ihr.
    »Ich muß etwas tun«, sagte sie noch einmal.
    »Hab bitte Geduld.«
    »Nein. Ich weiß, wer mir das hier antut, und ich habe vor, etwas dagegen zu unternehmen.«
    »Wer denn?« fragte ich, aufmerksam geworden. »Wenn es soweit ist, sage ich Bescheid.«
    »Lucy, wer hat dir was angetan? Bitte, sag mir, wovon du sprichst.«
    »Im Augenblick geht das nicht. Ich muß vorher noch etwas erledigen. Wann kommst du nach Hause?«
    »Ich weiß nicht. Ich rufe dich aus Asheville an, sobald ich absehen kann, wie die Dinge laufen.«
    »Also kann ich deinen Wagen noch benutzen?«
    »Aber sicher.«
    »In den nächsten Tagen brauchst du ihn dann wohl nicht, oder?«
    »Ich glaube, nein. Was hast du denn vor?« Ich wurde zunehmend nervös.
    »Vielleicht muß ich nach Quantico fahren, und wenn ja, bleibe ich über Nacht, aber ich wollte sichergehen, daß es dir nichts ausmacht.«
    »Nein, es macht mir nichts aus«, sagte ich. »Solange du vorsichtig bist, Lucy. Das nämlich macht mir etwas aus.«
    Wesley und ich bestiegen eine Propellermaschine, die so laut war, daß wir uns nicht unterhalten konnten. Wesley verschlief den Flug, während ich einfach nur ruhig dasaß, mit geschlossenen Augen, und die Wärme der Sonne genoß, die durchs Fenster schien. Ich ließ meinen Gedanken freien Lauf, und aus verborgenen Winkeln tauchten so manche Bilder auf, die ich längst vergessen hatte. Ich sah meinen Vater vor mir, mit dem Weißgoldring an der linken Hand, wo eigentlich der Ehering hätte stecken müssen. Den hatte er am Strand verloren, und einen neuen konnte er sich nicht leisten.
    Mein Vater hatte nie ein College besucht. Ich erinnerte mich daran, daß sein High-School-Ring einen roten Stein hatte und daß es immer mein Wunsch gewesen war, es wäre ein Rubin, weil wir so arm waren und ich dachte, wir könnten ihn dann verkaufen und ein besseres Leben haben. Ich wußte auch immer noch, wie enttäuscht ich war, als mein Vater mir eines Tages erklärte, der Ring sei das Benzin nicht wert, um bis South Miami zu fahren. Bei der Art, wie er das sagte, wurde mir nämlich klar, daß er seinen Ehering nicht wirklich verloren hatte. Er hatte ihn verkauft, als er nicht mehr ein noch aus wußte, doch hätte er das Mutter ge standen, hätte es sie umgebracht. Viele Jahre hatte ich nicht mehr an jenen Ring mit dem roten Stein gedacht, aber ich nahm an, daß meine Mutter ihn noch irgendwo hatte, es sei denn, sie hatte ihn Vater mit ins Grab gegeben. Das wäre möglich. Genaueres wußte ich jedoch nicht, denn ich war erst zwölf, als er starb.
    Meine Gedanken wanderten hierhin und dorthin. Menschen, die ich einmal gekannt hatte, tauchten vor meinem inneren Auge auf wie stumme, ungeladene Gäste. Es war seltsam, und ich wußte nicht, was es zu bedeuten hatte, warum zum Beispiel Schwester Martha, meine Lehrerin in der dritten Klasse, plötzlich etwas mit Kreide auf die Tafel schrieb oder warum ein Mädchen namens Jennifer durch eine Tür hinausging, während draußen auf dem Friedhof ein Hagelscha uer wie aus tausend kleinen weißen Murmeln niederging.
    Und so erschienen diese Menschen aus meiner Vergangenheit und verschwanden wieder, während ich in einer Art Halbschlaf vor mich hindöste.
    Erst ein dumpfes Gefühl des Kummers, das in mir aufstieg, holte mich in die Gegenwart zurück.

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