Body Farm
rechts und links an mir vorüberzog, während ich in Richtung Norden fuhr.
Ein biometrisches Sicherungssystem mußte wie jedes andere auch zu knacken sein, wenn ein Unbefugter es umgehen wollte. Für manche Schlösser brauchte man nur eine Kreditkarte. Andere konnten mit verschiedenem Werkzeug zerlegt oder einfach abgeschraubt werden. Ein System aber, das mit einem Scanner für Fingerabdrücke arbeitete, war mit mechanischen Mitteln so leicht nicht auszuschalten. Beim Gedanken an den Einbruch in die ERF gingen mir verschiedene Möglichkeiten durch den Kopf, wie das gelungen sein mochte.
Lucys Abdruck war gegen drei Uhr morgens registriert worden. Das wäre ohne ihren Finger nicht möglich gewesen - oder ohne eine genaue Nachbildung davon. Von Konferenzen der International Association of Identification, die ich seit einer Reihe von Jahren besuchte, wußte ich, daß viele notorische Verbrecher zahlreiche Versuche unternommen hatten, ihre Fingerabdrücke zu verändern.
Der skrupellose Gangster John Dillinger zum Beispiel hatte sich die Hautleisten mit Säure verätzt, der nicht so bekannte Roscoe Pitts hatte sie sich zwischen dem ersten Gelenk und den Fingerspitzen wegoperieren lassen. Diese und andere Methoden brachten allerdings nicht den erwünschten Erfolg, und die Herren wären besser beraten gewesen und hätten sich eine Menge Schmerzen erspart, wenn sie bei den Fingerabdrücken geblieben wären, die ihnen der liebe Gott geschenkt hatte. Das FBI nahm nämlich nun einfach ihre veränderten Abdrücke in ihre Spezialkartei für verstümmelte Gliedmaßen auf, was ihm die Arbeit sogar noch erleichterte. Zudem machen verbrannte oder verstümmelte Finger einen Verdächtigen noch verdächtiger. Besonders lebhaft erinnerte ich mich an den Jahre zurückliegenden Fall eines besonders findigen Einbrechers, dessen Bruder in einem Bestattungsunternehmen arbeitete. Der Dieb, der schon öfter gesessen hatte, versuchte, sich Handschuhe mit den Fingerabdrücken eines anderen anzufertigen. Das gelang ihm, indem er die Hände eines Toten mehrfach in flüssigen Gummi tauchte. So gewann er mehrere Lagen, bis er die »Handschuhe« abziehen konnte. Aber auch dieser Plan ging nicht auf, aus mindestens zwei Gründen. Der Dieb hatte nicht darauf geachtet, die bei jeder Lage sich bildenden Luftbläschen zu entfernen. Bei seinem nächsten Einbruch hinterließ er dementsprechend eigentümliche Abdrücke. Auch hatte er sich nicht die Zeit genommen, nachzuprüfen, wem er denn die Fingerabdrücke eigentlich gestohlen hatte. Hätte er das getan, hätte er erfahren, daß der Verstorbene ein verurteilter Schwerverbrecher gewesen war, der während eines Hafturlaubs friedlich verschieden war.
Ich dachte an meinen kürzlichen Besuch in der ERF an jenem sonnigen Nachmittag zurück, seit dem Jahre vergangen zu sein schienen. Ich hatte gespürt, daß es Carrie Grethen gar nicht angenehm war, Wesley und mich in ihrem Büro vorzufinden. Sie hatte beim Hereinkommen in einem Gefäß mit einer zähflüssigen Substanz herumgerührt. Rückblickend hätte es durchaus flüssiges Silikon oder Gummi sein können. Während dieses Besuchs hatte Lucy auch erwähnt, daß sie »mitten in der Arbeit« an dem biometrischen Sicherungssystem stecke. Vielleicht stimmte das ja sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Vielleicht hatte Carrie damals gerade beabsichtigt, einen Gummiabdruck von Lucys Daumen zu nehmen.
Sollte meine Theorie über Carries Verhalten zutreffen, so konnte sie auch bewiesen werden. Warum hatte bisher nur keiner von uns eine ganz simple Frage gestellt - nämlich: Entsprach der Fingerabdruck, den der biometrische Scanner abgenommen hatte, effektiv dem von Lucy, oder hatten wir uns nur auf die Angaben des Computers verlassen?
»Also, ich nehme an, es war der von Lucy«, sagte Benton Wesley, als ich ihn über sein Autotelefon erreicht hatte.
»Natürlich nimmst du das an. Jeder würde das. Aber wenn jemand einen Abdruck von Lucys Daumen genommen und ihn über den Scanner geführt hat, dann müßte der Abdruck spiegelverkehrt zu dem sein, der auf der ZehnFingerabdruckkarte in ihrer Bureau-Akte registriert ist. Ein Spiegelbild ihres Daumens, sozusagen.«
Wesley schwieg einen Augenblick. Dann klang er überrascht: »Verdammt! Aber würde der Scanner denn nicht erkannt haben, daß der Abdruck verkehrt herum war, und ihn zurückgewiesen haben?«
»Nur sehr wenige Scanner können zwischen einem Abdruck und seinem Spiegelbild unterscheiden. Ein
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