Body Farm
Lucys Daumen gemacht haben. Ihre persönliche Kennummer herauszubekommen war einfach, da Sie beide sehr häufig zusammen waren. Sie mußten nur die Augen offen halten und sich den Code merken, den sie eintippte. Auf die Weise haben Sie das biometrische Sicherungssystem passiert, als Sie an dem frühen Morgen in die ERF eingedrungen sind.«
»Meine Güte, geht da Ihre Phantasie nicht mit Ihnen durch?« Sie lachte, aber ihr Blick verhärtete sich. »Ich rate Ihnen, sich mit solchen Anschuldigungen sehr in acht zu nehmen.«
»Ihre Ratschläge interessieren mich nicht, Miss Grethen. Ich will Sie nur warnen. Wir werden bald den Beweis dafür haben, daß Lucy nicht in die ERF eingedrungen ist. Sie waren schlau, aber nicht schlau genug, und einen fatalen Punkt haben Sie übersehen.«
Sie schwieg, aber ich konnte sehen, wie sich in ihrem Kopf die Gedanken jagten. Ihre Neugier hatte etwas Verzweifeltes.
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte sie mit ins Wanken geratener Selbstsicherheit.
»Mit Computern mögen Sie gut umgehen können, aber von forensischer Wissenschaft verstehen Sie nichts. Was gegen Sie spricht, ist recht einfach.« Ich trug meine Theorie mit der Sicherheit vor, die jeder gute Anwalt demonstriert, der die Spielregeln kennt. »Sie haben Lucy um Assistenz bei einem sogenannten Forschungsprojekt zum biometrischen Sicherungssystem in der ERF gebeten.«
»Forschungsprojekt? Es gibt kein Forschungsprojekt«, sagte sie haßerfüllt.
»Genau das ist der Punkt, Miss Grethen. Es gibt kein Forschungsprojekt. Sie haben sie belogen, um an einen Gummiabdruck von ihrem Daumen zu kommen.« Sie lachte kurz auf. »Du meine Güte. Sie haben wohl zu viele JamesBond-Filme gesehen. Sie meinen doch nicht etwa, irgendwer könnte Ihnen abnehmen, daß -« Ich schnitt ihr das Wort ab. »Der Gummidaumen, den Sie sich gemacht haben, diente dann Ihnen oder sonstwem noch dazu, in den Sicherheitsbereich einzudringen und jede Menge Dinge zu tun, die wohl auf Industriespionage hinauslaufen. Aber einen Fehler haben Sie gemacht.« Ihr Gesicht war aschgrau geworden.
»Möchten Sie wissen, was das für ein Fehler war?« Sie sagte nichts, aber sie wollte es wissen. Ich spürte die Panik, die in ihr aufstieg, wie einen Hitzeschwall. »Sehen Sie, Miss Grethen«, fuhr ich im selben sachlichen Ton fort. »Wenn Sie von einem Finger einen Abdruck nehmen, ist er in Wirklichkeit umgekehrt oder spiegelverkehrt zum Original. Der Gummidaumen war also die Umkehrung von Lucys wirklichem Abdruck. Mit anderen Worten, er war verkehrt herum. Und die Überprüfung des Abdrucks, wie er vom Scanner im Sicherungssystem um drei Uhr morgens aufgenommen wurde, wird das klar erweisen.«
Sie schluckte schwer. Ihre nächsten Worte bestätigten meine Mutmaßungen voll und ganz. »Sie können nicht beweisen, daß ich es war.«
»O doch, wir werden es beweisen. Aber für heute habe ich noch eine wichtigere Information für Sie.« Ich beugte mich näher zu ihr und spürte den Kaffeegeruch in ihrem Atem. »Sie haben die Gefühle meiner Nichte für Sie ausgenutzt. Sie haben ihre Jugend ausgenutzt, ihre Naivität und ihren Anstand.«
Ich beugte mich so weit vor, daß unsere Gesichter einander fast berührten. »Kommen Sie nie mehr in die Nähe von Lucy. Wagen Sie nie mehr, ein Wort mit ihr zu sprechen, und rufen Sie sie nie mehr an. Denken Sie nicht einmal mehr an sie.«
In der Manteltasche griff meine Hand nach der .38er. Fast wünschte ich, sie gebrauchen zu können. »Und wenn ich herausbekomme, daß Sie es waren, die sie von der Straße abgedrängt hat«, fuhr ich mit einer ebenso ruhigen wie messerscharfen Stimme fort, »dann bringe ich Sie persönlich zur Strecke. Ich jage Sie für den Rest Ihres erbärmlichen Lebens. Ich werde jedesmal zur Stelle sein, wenn Sie Strafaussetzung beantragen. Ich werde jeder Kommission und jedem Gouverneur immer wieder erzählen, was für einen verdorbenen Charakter Sie haben, und daß Sie eine Gefahr für die Gesellschaft sind. Haben Sie verstanden?«
»Fahren Sie zur Hölle«, sagte sie.
»Ich werde nie zur Hölle fahren, Sie aber sind dort bereits«, sagte ich.
Sie stand abrupt auf und eilte mit ärgerlichen Schritten zurück in den Laden. Im selben Moment sah ich, daß ihr ein Mann folgte. Ich blieb auf der Bank sitzen und beobachtete, wie er im Laden mit ihr sprach. Mein Herz schlug heftig. Ich wußte nicht genau, warum ich seinetwegen sitzen blieb, aber bei dem kurzen Blick, den ich auf ihn werfen konnte, war mir
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