Bodycheck (German Edition)
zu intensivem Training motivieren. Toralf spannte die Muskeln an und war zufrieden: Die hatten allen Grund, neidisch zu sein.
Er legte sich auf sein Bett und streckte sich. Von dort sah er durch die Dachfenster hinaus in die Baumkronen. Toralf liebte diesen Blick. Er konnte stundenlang Eichhörnchen, Elstern und Buntspechten zuschauen.
Mit den Füßen schob er die Arbeitsklamotten beiseite, die er achtlos auf das Bett geworfen hatte. Dabei rutschte etwas aus der Hosentasche. Ach, Manfreds Visitenkarte. Toralf hob sie auf und lehnte sich wieder zurück. Er betrachtete die kleine Karte in seinen Händen, las Manfreds Namen und Adresse, irgendwo in Hamburg. Das war hundertfünfzig Kilometer entfernt. ‹Stadtluft macht frei›, so sagte man. Seit Jahrhunderten zogen Menschen aus Mecklenburg dorthin. Für die Firma hatten sie schon auf Hamburger Baustellen gearbeitet. Ob es wirklich freier war? Hektischer, ja sicher. Im Baum oberhalb seines Dachfensters schrie ein Eichelhäher. Ob sie in Hamburg Eichelhäher hatten?
Besser, er steckte die Karte erst einmal gut weg. Toralf griff nach der Arbeitshose und zog das Portemonnaie aus der Gesäßtasche. Dort wäre die Visitenkarte sicher aufgehoben. Toralf klappte die Geldbörse auf und schob das Kärtchen in ein Seitenfach. Dabei fiel ihm ein zusammengefalteter Zettel auf. Was war denn das? Toralf faltete das quadratische Stück Papier auseinander. ‹HptFw Schroth› und eine Mobiltelefonnummer hatte jemand mit breitem Bleistift und energischer Schrift geschrieben. Das war die Handschrift vom Chef. Ach ja … Toralf erinnerte sich … der Hauptfeldwebel.
Vor zwei Jahren hatten sie auf einem Bundeswehrstandort gearbeitet und fast drei Wochen lang Kasernendächer neu eingedeckt. Nach einigen Tagen tauchte während der Frühstückspause dieser Feldwebel auf. Fortan wich er in keiner Pause von Toralfs Seite. Schroth war ein Fitnessjunkie, und in Toralf sah er wohl einen verwandten Geist. Toralf selbst verstand sich eher als Muskelfreak – Eisen ja, Kardio nur, wenn es sein musste. Schroth lebte für sein Mountainbike. Schwärmte von seiner Teilnahme am Roc d’Azur und beschrieb die Abfahrt vom Passo di Tremalzo nach Riva del Garda in allen Details. Diesen unglaublichen Ausblick von der alten Ponalestraße dürfe sich Toralf nicht entgehen lassen. Und überhaupt kannte er jeden Zentimeter auf dem Monte Brione. Und dann die Alpen-Challenge! Schroth redete viel, vor allem vom Radfahren. Fragte auch nach Toralfs Erfahrungen mit Nahrungsmittelergänzungen. Letztlich waren die aber zweitrangig. Ihm kam es schließlich nicht in erster Linie auf Muskelmasse an, die war beim Radfahren eher hinderlich.
Die übrigen Kollegen hielten sich bald abseits, rissen ihre Witze. ‹Dein Feldwebel kommt›, hieß es dann, und die Kollegen suchten rasch das Weite. Toralf kam während Schroths Ausführungen nur selten zu Wort. Einmal erwähnte er seinen Vater. Dass er Oberstleutnant bei der Armee gewesen war. Schroth war kurz beeindruckt. Dass er bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war, als Toralf elf Jahre alt war. Schroth war nochmals beeindruckt. Und dozierte dann über Laufschuhe.
Auch Toralf war beeindruckt, doch nicht von Schroths Vorträgen. Schroth war eine außerordentlich sportliche Erscheinung. Größer als Toralf, V-förmiger Oberkörper und ungemein drahtig. Er stand neben Toralf, gestikulierte, erzählte unablässig. Toralf hörte kaum zu. Er achtete nur auf die durchtrainierte Gestalt, das grüne Barett, diese unglaublich definierten Arme, die aus kurzärmeligem Flecktarn hervorstachen, die Dienstgradabzeichen in Runenform auf den Schultern, Schwarz-Rot-Gold am Ärmel. Die vollständige Abwesenheit von Fett ließ jede Sehne, jeden Muskel wie gefräst erscheinen.
Zwei Tage vor Abschluss der Dacharbeiten war Schroth dann zur Sache gekommen. Wegen eines Regenschauers hatten Toralf und er während der Frühstückspause Schutz in einer Fahrzeughalle gesucht. Ob er mal Toralfs Bizeps anfassen dürfe. Sicher, warum nicht? Toralf fand es lustig, und es schmeichelte ihm. Bewundernd strich Schroth über Toralfs Arme. Erst beugte Toralf den rechten Arm, drehte die Handfläche nach oben und ließ den Bizeps anschwellen. Schroth seufzte. Nun streckte Toralf den Arm, drehte die Handfläche nach hinten, und der Hauptfeldwebel führte seine Finger tastend über den hufeisenförmig heraustretenden Trizeps. Ohne weiteres Nachfragen griff er prüfend an Toralfs Brust. Er pfiff leise
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