Bodycheck (German Edition)
mehr, als man denkt. Meine hat es gewusst, bevor ich es ihr gesagt habe. Mütter spüren das.»
«Meinst du?»
«Ich bin mir sicher. Aber lass uns mal weitermachen, ich hab ja noch ’ne ordentliche Fahrt vor mir.»
Toralf bestand darauf, eigenhändig den Mörtel für die Firstpfannen anzurühren, und erklomm dann wieder das Dach. Manfred schleppte Firstpfannen und Mörtel abwechselnd die Leiter hoch, sodass sie zügig vorankamen. Am späten Nachmittag war die Arbeit getan.
Manfred drängte zur Abfahrt, am nächsten Tag musste er wieder früh raus. Sie gingen beide zum Wagen, und Manfred kramte eine Visitenkarte aus dem Handschuhfach.
«Cool, was ihr Wessis alles habt. Ein Lkw-Fahrer mit Visitenkarte.»
«Idiot! Ruf mich an, wenn du reden willst. Ruf mich an, wenn du dich entschieden hast, für ein paar Tage zu kommen. Meinetwegen gleich nächstes Wochenende …»
Toralfs Gesicht strahlte.
«Ich danke dir, Kumpel.» Seine Rechte drückte kräftig Manfreds Hand, mit der Linken schlug er ihm auf die Schulter. Mehr Körperkontakt ist unter den gegebenen Umständen wohl nicht zu erwarten, dachte sich Manfred, der den neuen Freund gern kräftig gedrückt hätte.
Unter lautem Hupen hielten zwei tiefergelegte Golfs neben Manfreds Bulli. Die Seitenfenster fuhren herunter, und Bierflaschen streckten sich ihnen entgegen. Aus dem Wageninnern johlte es. Die Jungs waren guter Stimmung. In der Fahrertür des vorderen Wagens erschien Markos Kopf. Er strahlte. «Hey, ihr beiden, war ein astreiner Tag heute. Ihr habt echt was verpasst.» Aus dem Wageninnern johlte es erneut. Bierflaschen wurden geschwenkt, Schaum tropfte in den Straßenstaub. Marko schaute zum Haus hinüber. «Ein neues Dach? Wie geil ist das denn! Ihr seid wenigstens fleißig gewesen. Na ja, frohes Schaffen weiterhin, wir sehen uns!» Die beiden Golfs entschwanden und hinterließen eine Staubwolke. Manfred sah Toralf stirnrunzelnd an, und sie brachen gleichzeitig in Lachen aus.
Gegen die untergehende Sonne lenkte Manfred den Wagen wieder zurück nach Hamburg. Ob Toralf wohl anrufen würde? Das Handy steckte in der Freisprecheinrichtung, blieb aber stumm. Zu Hause angekommen, ging er durch jedes Zimmer seines kleinen Häuschens und versuchte sich vorzustellen, hier mit Toralf zu leben. Mist, jetzt hab ich mich verknallt, dachte er.
9
Kaum war Manfred abgefahren, kam Hertha aus dem Haus gestürzt. «Ist er schon weg?» Sie schwenkte ein Kleidungsstück in der Hand.
«Gerade abgefahren», antwortete Toralf. «Was hast du denn da?»
«Den Pulli hat er gestern bei uns liegen gelassen», sagte Hertha und hielt das blaue Kapuzenshirt in die Höhe.
Toralf lächelte; für seine Mutter waren alles ‹Pullis›, egal ob Sweatshirt oder T-Shirt. Er streckte die Hand aus: «Gib her, er kriegt’s zurück, wenn er mal wieder kommt.»
Doch Hertha riss das Kleidungsstück wieder an sich: «Aber das stinkt ja schon fürchterlich und ist ganz dreckig. Das kommt in die Wäsche!» Hertha verschwand in Richtung Waschküche.
Toralf stieg die enge Treppe in das ausgebaute Dachgeschoss hinauf. Hier war sein Reich, fast wie eine eigene Wohnung. Er schloss die Tür hinter sich. An ihrer Innenseite war ein großer Spiegel befestigt. Toralf schälte sich aus den Arbeitsklamotten, betrachtete dabei mit kritischem Blick seinen Oberkörper, beugte und streckte abwechselnd beide
Arme. Vielleicht bräuchten sie ein klein wenig mehr Masse … Ob er das Wochenende über zu wenig gegessen hatte? Er hob zwei Kurzhanteln vom Boden auf. Sie hatten schon gute Dienste geleistet, zum Beispiel bevor er abends ausging. Dann pumpte er eine kräftige Runde Hammercurls, zog sich ein knappes T-Shirt über und war sich der Bewunderung sicher. Auch jetzt machte er ein paar Wiederholungen. Im Spiegel konnte man regelrecht zusehen, wie die Arme anschwollen. Perfekt. So müssten die immer sein. Diese Arme gaben Sicherheit, verschafften Respekt. Neulich Abend der vorlaute Marko, der hatte schön das Maul gehalten. Und selbst Manfred. Toralf legte die Hanteln wieder zurück.
Zufrieden betrachtete er seine Waden. Im Sportstudio beneideten ihn alle darum. Keiner hatte solche Waden wie er. Dabei spielte er gar nicht Fußball. Alle strampelten sich ab, und seine waren einfach da, rund und kräftig. Einmal hatte er gelesen, dass sich selbst Arnold mit Wadentraining schwergetan hatte. Arnie hatte angeblich seine Trainingshosen in Kniehöhe abgeschnitten. Der Anblick der unzureichend geformten Waden sollte
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