Bodyfinder - Das Echo der Toten
tote Mädchen war Brooke Johnson, eine Schülerin aus dem Nachbarort.
Violet hatte Brooke nicht persönlich gekannt, aber von verschiedenen Partys wusste sie, wer sie war.
Was Brookes Tod außerdem so beängstigend machte, war die Tatsache, dass er ein Muster erkennen ließ, jedenfalls in den Augen der meisten.
Alle wussten jetzt, was Violet die ganze Zeit gewusst hatte: dass das Mädchen im See ermordet worden war. Und auch wenn die Polizei eine Verbindung zwischen den beiden Toten nicht bestätigen konnte, zweifelte niemand daran. Zwei Mädchen, die entführt, ermordet und so kurz hintereinander in ein und derselben Region gefunden worden waren, das konnte kein Zufall sein.
An mehreren Schulen in der Gegend wurden Trauerbegleiter eingesetzt, so auch an der White River High School in Buckley. Es gab Versammlungen und Extrastunden nach dem Unterricht, in denen es um Themen wie persönliche Sicherheit, Vorsicht vor Fremden und Selbstverteidigung ging.
Trotzdem trat Brooke Johnsons Tod im Bewusstsein der Schüler immer mehr in den Hintergrund.
Nur für Violet war er immer noch zum Greifen nah. Und Jay schien das zu spüren. Er wich kaum von ihrer Seite, und Violet war froh, dass sie ihre Gefühle für Jay wieder unter Kontrolle hatte und sie nach wie vor gute Freunde waren.
Violet stand im Schulflur und schaute ihn an. Er wühlte in seinem Schließfach und suchte sein Mathebuch, und obwohl Violet wusste, dass er es dort nicht finden würde, ließ sie ihn machen und lächelte in sich hinein.
Offenbar spürte er, dass sie ihn beobachtete, und drehte sich zu ihr um. »Was ist?«
»Nichts«, sagte sie und musste grinsen.
Er kniff die Augen zusammen. »Nun sag schon!«
Sie seufzte und trat gegen seine Schultasche, die er achtlos an die Wand gestellt hatte. »Dein Buch ist da drin, du Trottel.« Sie wandte sich ab und ging los in Richtung ihres Klassenzimmers.
Jay stöhnte auf, knallte das Schließfach zu, riss seine Schultasche an sich und lief hinter ihr her. »Warum hast du nicht eher was gesagt?«
Sie zuckte die Schultern. »Macht Spaß, dir beim Suchen zuzuschauen.«
»Aha, Spaß. Für mich war’s auch ein Riesenspaß.«
In diesem Moment schloss Grady Spencer zu ihnen auf.
Anfangs war Grady nur Jays Freund gewesen, aber in der vierten Klasse hatte sich auch Violet mit ihm angefreundet.
Sogar mehr als das. Sie waren bis zum Ende des vierten Schuljahrs offiziell miteinander gegangen. Was im Klartext bedeutete, dass sie in den Pausen hinter ihm hergelaufen war, während er so getan hatte, als wäre sie ihm lästig.
Nachdem Violet dann am ersten Tag des fünften Schuljahrs erfahren hatte, dass Grady nicht in ihrer Klasse sein würde, musste sie weinen. Denn damit war ihre erste Liebe jäh zu Ende gegangen. Und nicht nur das. Gradyhatte auch schnell Ersatz gefunden und war mit Miranda Grant zusammengekommen.
»Was geht?«, fragte Jay Grady.
Genau wie Jay war Grady im letzten Schuljahr fast fünfzehn Zentimeter gewachsen, sodass er Violet deutlich überragte.
»Nicht viel, Alter«, antwortete Grady, seine Stimme war tiefer als in Violets Erinnerung. »Kommt ihr Freitag zum Spiel?«
»Klar. Oder, Vi?«, sagte Jay.
»Klar.« Sie zuckte die Schultern. Das ging in Ordnung für sie, sie wusste, dass alle hingingen. Es war Herbst und Herbst bedeutete Football-Saison. Heimspiele waren in ihrer Stadt fast heilig.
Schließlich erreichten sie den Klassenraum, in dem sie und Jay Unterricht hatten. Doch Grady machte keine Anstalten, sich zu verabschieden.
»Violet, kann ich kurz mit dir sprechen?« Wieder überraschte seine tiefe Stimme sie.
»Ja, klar.« Was er wohl von ihr wollte?
Jay blieb ebenfalls stehen, aber als Grady nichts sagte, begriff er, dass sein Freund mit Violet allein sein wollte. Plötzlich wirkte Jay verlegen. »Also, bis gleich dann, Violet.«
»Was gibt’s?«, fragte sie, als Grady nicht sofort etwas sagte.
Er schluckte, sein Adamsapfel hüpfte rauf und runter. Dann trat er von einem Bein aufs andere. Hätte Violet ein bisschen nachgedacht, wäre sie darauf gekommen, dass er nervös war. Aber sie deutete sein Unbehagen vollkommen falsch. Sie dachte, er mache sich genau wie sie Sorgen, zu spät zum Unterricht zu kommen. »Sollen wir nach der Schule reden? Wir können uns auf dem Parkplatz treffen.«
»Nein. Nein, jetzt ist es gut.« Mit einer mutlosen Geste fuhr er sich durchs Haar. Er holte tief Luft, aber er sprach mit wackliger Stimme. »Ich … ich dachte …« Jetzt schaute er
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