Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
philosophischen Fragen stellen sich von selber!
Bei uns gibt das Wetter eh nicht so viel her als Gesprächsstoff, es ist gleich bleibend sonnig mit einem Gewitter ab und zu am späteren Nachmittag. Doch an einem sonnigen Sonntagmorgen im Mai spaziere ich mit einem Glas Apfelsaft arglos auf die Terrasse, nur um sofort wieder umzukehren: Es ist kühl! Nein, kalt!
„Fahr mal eine Runde mit dem Auto“, befehle ich meinem Göttergatten.
„Ich bin aber noch im Schlafanzug!“
„Ach, das sieht doch keiner, Du steigst ja in der Garage ein und auch wieder aus.“
Am Schluss muss ich es natürlich doch selber machen, so einfach lässt sich Lukas nicht herumdirigieren. Ich muss nur einmal ums Quartier fahren, um das Autothermometer zu kontrollieren (wir haben sonst keins), und es lohnt sich durchaus: Im Vergleich zum Freitag, als ich die Kinder zur gleichen Uhrzeit in die Krippe brachte, ist die Temperatur um 10 Grad gefallen. 10 Grad Celsius! Einfach so! Wir erleben zum ersten Mal, wie es sich in Johannesburg bei kühleren Temperaturen lebt. Die Bodenheizung, die uns von der Maklerin angepriesen wurde, ist nur im Family Room und der Küche vorhanden sowie in Lukas’ und meinem Badezimmer. Weil es jedoch keine Türe vom Badezimmer zum Schlafzimmer gibt, genügt sie nicht, um ein kuschelige Temperatur zu erreichen. Im Büro frös-telt es mich, denn es zieht durch die Balkontüre. Was nicht weiter erstaunt, denn zwischen den beiden hölzernen Flügeltüren klafft ein zentimeterbreiter Spalt.
Am nächsten Morgen muss ich mich schwer zusammennehmen, um in der Krippe nicht andauernd zu kichern. Am Freitag noch in T-Shirts, sind die Lehrerinnen heute Morgen im Fleece-Pullover zur Stelle, und die Kinder werden in Daunenjacken und Strickmützen zur Schule geschickt. Offenbar gibt es für die Südafrikaner genau zwei Jahreszeiten: Hochsommer oder tiefster Winter!
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Die Sprachen des Regenbogens
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Mittlerweile sind wir in eine Art Routine gefallen: Lukas fährt zur Arbeit, die Jungs gehen morgens in die Krippe, und ich, ich repariere oder lasse reparieren. Unglaublich, was in unserem Haushalt immer den Geist aufgibt oder sonst Aufmerksamkeit braucht! Das zweite Garagetor, zum Beispiel, reagiert nur sehr unregelmässig auf Befehle. Die Windschutzscheibe meines Autos hat zwei kleine Löcher vom Steinschlag und die müssen gefüllt werden, damit kein Riss daraus wird. Das Bewässerungssystem im Garten muss mindestens einmal die Woche kontrolliert werden, weil die dünnen Schläuche laufend aus den Haltern rutschen. Das Auto meines Göttergatten vermeldet Probleme mit der gearbox , ein Wort, das sich nicht im Wörterbuch finden lässt, aber sich anscheinend auf das Getriebe bezieht. Unser Telefonanschluss produziert im Gespräch ein so lautes Rauschen, dass ich für eine Weile befürchtete, alle meine Anrufer hätten starke Erkältungen und könnten kaum atmen. Der automatische Poolreiniger, offenbar eine südafrikanische – oder australische? – Erfindung mit dem Namen creepy crawly hat die Aufgabe, mit Hilfe der Poolpumpe während ein paar Stunden am Tag den Pool zu staubsaugen. Gute Idee. Ausser, dass unser Gerät gerne sein nasses Revier verlässt und sich dann prompt im Netz verhängt, wo es minutenlang in Heavy-Metal-Lautstärke vor sich hingurgelt, bis ich es unter leisem Fluchen wieder aus seiner misslichen Lage befreit habe.
Die Technik verschönert unser Leben. Die Technik vereinfacht unser Leben. Ha, ha, ha. Die Technik beschäftigt die geneigte Hausfrau den halben Tag, das muss an dieser Stelle mal gesagt werden!
Gut, ein bisschen freie Zeit bleibt mir schon noch. Zum Beispiel, um E-Mails an meine Freundinnen in der Schweiz zu schreiben und mich über die Tücken der Technik zu beklagen. Auch Petra, Sonia und Lee-Anne sowie meine Nachbarin Ilze kriegen meinen Frust mit, denke ich wohl.
Daneben bin ich seit neustem auch einmal die Woche im Pilates-Kurs anzutreffen. Muss meine vom Packen und Umzug beanspruchten Muskeln ein bisschen dehnen. Und nebenbei lerne ich ein paar sehr nette Frauen kennen, denn ich habe Glück: Irgendwie ist man ja beim Turnen freundlich, kommt aber doch nicht ins Gespräch – ausser, in meinem Fall, als ich eine andere Turnerin anhand ihres Akzents als Schweizerin identifiziere. Sofort brabbeln Christine und ich in unserer Muttersprache los, und durch sie lerne ich wiederum weitere Frauen kennen: Sue, Pam und Jenny aus England. Auch wenn immer die eine oder andere gleich losrasen
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