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Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Titel: Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Brühwiler
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Glücksfall. Wir liefern immer die passende Erwiderung und gewinnen genügend Zeit, um uns den nächsten Satz im Kopf bereit zu legen.
    „ Sorry “ braucht man anerkanntermassen als Entschuldigung, sogar in der (neueren) deutschen Sprache. Die Südafrikaner sagen aber grundsätzlich sorry , wenn einem etwas Schlechtes widerfährt. Wenn Tim zum Beispiel stolpert und stürzt, dann bricht die gesamte Krippenbrigade in „ sorry “ aus. Wenn ich meine Autoschlüssel zu Boden fallen lasse murmelt Clara ein scheues „ sorry “. Kann man auch gut anwenden als Ausländer und sich so richtig zugehörig fühlen.
    Das letzte unabdingbare Wort im südafrikanischen Englisch ist hectic . Ein total praktisches Adjektiv, das für alles Mögliche benützt werden kann: Der Verkehr ist hectic , der Job, die Auseinandersetzung mit Telkom, das Leben mit Kleinkindern sowieso.
    Auch sehr südafrikanisch und supereinfach für uns ist „ ag “: Das Wort wird ausgesprochen wie „ach“ und genauso benützt wie seine deutsche Entsprechung, nur etwa tausendmal häufiger. Sogar im Englischen, obwohl ag aus dem Afrikaans kommt.
    Tim versteht schon ein bisschen Afrikaans und sogar ein paar Worte Xhosa, die er von Clara und in der Krippe gelernt hat. Ich warte nur darauf, bis er mir übersetzen kann, was die Verkäuferinnen immer miteinander diskutieren, sogar wenn ich daneben stehe.
    Mit mir sprechen alle Englisch, jedenfalls in Johannesburg. Ganz selten werde ich in Afrikaans angesprochen, obwohl das laut Statistik viel öfter als Muttersprache genannt wird als Englisch. Das Holländisch der neuen Siedler am Kap, Worte ihrer malaiischen Sklaven aus den holländischen Kolonien sowie Einflüsse von Englisch und Französisch und den afrikanischen Sprachen haben sich zur Sprache der Buren oder Afrikaner geformt, dem Afrikaans. Eigentlich wäre ich sogar bereit gewesen, ein bisschen Afrikaans zu lernen – wäre sicher nicht so schwierig gewesen, denn die Sprache hat dieselbe Wurzel wie Deutsch. Aber wenn eh niemand Afrikaans mit mir spricht... Wahrscheinlich wäre das in einer kleineren Stadt als Johannesburg anders.
    Dass ich eine der neun afrikanischen Sprachen in Südafrika spreche, erwartet offenbar niemand von mir, denn ich werde nie in einer davon angesprochen. Auswendig aufzählen könnte ich sie nicht, aber mit dem aufgeschlagenen Reiseführer neben mir kann ich sie hier auflisten: Zulu, Xhosa, Pedi, Tswana, Sotho, Tsonga, Swati, Venda und Ndebele.
    Der berühmte Bischof Tutu hat nach dem Fall der Apartheid für Südafrika den Begriff der Rainbow Nation geprägt, die Regenbogen-Nation. Die Nation mit ihren Kindern aller Farben und Sprachen. Ein modernes Babylon.

    Mittlerweile ist der südafrikanische Winter eingekehrt. Morgens riecht die Luft nach den Holzfeuern, die zum Heizen angezündet werden. Die Radiostationen rufen dazu auf, warme Decken zu spenden für die Armen.
    Erstaunlicherweise hat der grössere Teil der Bäume seine Blätter verloren, und es sieht fast so aus, als hätten sich dahinter eine Menge Schlümpfe versteckt. Die sieht man jetzt nämlich morgens und abends zu Hauf neben der Strasse: Schlümpfe am Marschieren, Schlümpfe die ins Taxi einsteigen, Schlümpfe auf der Ladefläche eines bakkies , männliche Schlümpfe, weibliche Schlümpfe, Schlümpfe mit roten, braunen, blauen, gestreiften Mützen... Klar, es liegt an den Mützen. Trotz Suchen habe ich keine solchen Mützen in den shopping malls gefunden, es müssen die billigsten der billigen Mützen sein. Einfach hochelastische, gerade, maschinengestrickte Strümpfe, auf einer Seite zusammengenäht, auf der anderen offen. Die werden über den Kopf gestülpt, wo sie weit werden, und sich nach oben verjüngen. Schlumpfartig, eben.
    Morgens ist es rund sechs Grad kalt, wenn ich die Jungs zur Schule fahre, weshalb die aus der Schweiz mitgebrachten Daunen- und Fleecejacken doch noch zum Einsatz kommen. Auf Mützen und Handschuhe verzichten wir, weil wir uns ja nur vom Haus ins Auto und vom Auto wieder ins Haus bewegen und das Thermometer bis in zwei bis drei Stunden sowieso wieder auf 15 Grad geklettert ist.
    Die Sonne steht im Winter ganz tief am Himmel, so dass ich vor allem am Morgen und am späteren Nachmittag im Auto geblendet werde. Das Licht ist jetzt ganz anders als in Europa, irgendwie golden und ein ganz kleines bisschen dunstig, die Farben in der Natur wirken gedämpft.
    Seit mehr als drei Wochen hat es nicht mehr geregnet (es wird während fast vier Monaten

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