Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
muss, trinken wir nach dem Pilates doch noch gerne einen Kaffee miteinander. Ich bin ja nicht die typische Kaffee-Tante, aber neben dem Spass erfüllen diese Treffen auch einen guten Zweck: Ich lerne neue Leute kennen, die bald auch zu Freunden werden.
Petra nennt es den „ Expat -Effekt“: expatriates (kurz expats ) werden die Arbeitnehmer genannt, die von ihrer Firma ins Ausland versetzt werden: „Und wir alle finden uns dann in einem Land, wo wir keine Eltern, Geschwister oder Tanten haben, keine Schulfreunde, keine alten Bekannten – und wir froh sind, jemanden kennen zu lernen und neue Freundschaften aufzubauen. Aus diesem Grund und weil sie sich schon aus ihrer heimatlichen Komfortzone hinaus gewagt haben, sind die Expats grundsätzlich sehr offen gegenüber neuen Leuten und interessiert daran, jemand Neues kennen zu lernen. Ausserdem finden sich Expats normalerweise gegenseitig auch interessant, weil sie gerne verschiedene Kulturen kennen lernen. Und in Südafrika können sie immer gemeinsam über die hiesigen Verhältnisse schimpfen.“ Gut gebrüllt, Löwe.
Ausserdem hat es noch einen weiteren Vorteil, dass ich Expat-Frauen kennen lerne: Sie sind in der gleichen Situation wie ich, in ihrem südafrikanischen Visum werden sie auch als „begleitende Ehefrau“ ausgewiesen, was bedeutet, dass sie in Südafrika keiner bezahlten Arbeit nachgehen dürfen. Wir haben also keine Chance, am Arbeitsplatz jemanden kennen zu lernen. Zudem verfügen wir über verhältnis-mässig viel freie Zeit. Theoretisch. Denn praktisch sind wir am Reparieren, Organisieren und Beschaffen.
Ilze gegenüber habe ich einmal die Bemerkung fallen gelassen, wie befreiend es ist, in den südafrikanischen Zeitschriften, Zeitungen oder im Fernsehen nie auch nur den Hauch einer Diskussion darüber zu entdecken, ob eine Frau und/oder Mutter einer bezahlten Arbeit nachgehen darf/soll/muss oder nicht – ganz im Gegensatz zur deutschsprachigen Welt.
„Was meinst Du damit?“
„Na, ob eine Mutter karrieregeil und egoistisch ist, wenn sie arbeiten geht, oder ob sie zum doofen Hausmütterchen verkommt, wenn sie es nicht tut.“
„Eine Frau soll nur die Wahl haben, doof oder egoistisch zu sein? Das ist ja die Wahl zwischen Sodom und Gomorrha! Warum fahrt Ihr den Männern nicht mal über den Mund? Was sagen denn die Frauen dazu?“
Ihre Augenbrauen verlieren sich im dichten Pony, als ich ihr erkläre, dass diese Diskussionen im deutschsprachigen Raum mit Vorliebe von Frauen geführt werden, nicht einmal von Männern. Ich bin aber keine gute Vertreterin dieses Themas, denn ich finde diese Diskussionen lächerlich und ich verstehe sie nicht. Wie kann es jemand wagen, einer anderen Frau - die Männer bleiben bekanntlich meist verschont - vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben hat? Sind wir denn nicht alle verschieden, alle Frauen, ebenso wie unsere Männer und Kinder? Wenn nicht jede von uns die gleichen Nahrungsmittel oder Fernsehprogramme mag, dürfen diese unterschiedlichen Vorlieben nicht auch im Beruf und bei der Kindererziehung ausgelebt werden? Wo gibt es denn schon die genau gleiche Familienkonstellation im genau gleichen Umfeld? Und wenn ja, weshalb müssen die Familienmitglieder das genau gleiche Leben leben?
Wir schütteln deshalb gemeinsam den Kopf über diese Zumutung. Für Ilze ist dieses Thema geradezu absurd, denn in Südafrika ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen einer bezahlten Arbeit nachgehen. Sie selber hat gar nie über diese Frage nachgedacht.
„Klar, das hat auch damit zu tun, dass viele Frauen arbeiten müssen, um die Familie zu ernähren“, erklärt Ilze. „Ich habe noch von keiner einzigen schwarzen Maid gehört, die offiziell verheiratet ist und deren Mann die Familie ernährt. In den afrikanischen Gesellschaften ist es sehr verbreitet, dass die Partner für eine gewisse Zeit zusammen bleiben und sich dann trennen. In Südafrika gibt es auch noch häufig Polygamie, vor allem draussen auf dem Land. Die Kinder bleiben bei der Mutter, oder, noch häufiger, werden von der Grossmutter aufgezogen, während die Mutter arbeitet.“
So wie bei Clara. Die Männer machen ihr Ding, die Frauen kriegen und versorgen die Kinder und organisieren sich mit ihresgleichen, sprich Müttern und Schwestern oder Cousinen.
„Aber auch in südafrikanischen Familien, die nicht um das tägliche Überleben kämpfen müssen, arbeiten viele Frauen, nicht?“ frage ich.
„Warum nicht?“ Ilze führt ein kleines Unternehmen
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