Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
nicht mehr regnen) und die Luft ist ganz tro-cken. Das macht sich in den Schleimhäuten bemerkbar, meine Nase ist ganz ausgetrocknet und ich habe morgens öfters Nasenbluten, und zudem ist die Haut an meinen Schienbeinen schon ganz schuppig. Ich kaufe mir ein Körperöl, um sie wieder einigermassen ins Lot zu bringen.
Im unserem Garten lässt sich kein grosser Unterschied zwischen Sommer und Winter erkennen. Einige Büsche haben die Blätter verloren, doch die Bäume und die anderen Büsche sind noch immer grün. Die Rosen blühen immer noch, wenn auch auf recht kahlen Zweigen. Der vor drei Monaten angeheuerte Gartenservice schickt sein Team weiterhin jede Woche. Das erledigt sein Pensum, wenn auch ein reduziertes, denn das Rasenmähen fällt zum Beispiel weg: Das Gras ist noch grün, aber es wächst nicht mehr.
Es ist immer ganz interessant, den Gärtnern beim Arbeiten zuzugu-cken: Sie arbeiten nicht kollegial, wie ich es eigentlich erwartet hätte, sondern jeder hat seine Spezialaufgaben, zum Beispiel Rasen mähen, die Erde lockern, den Pool reinigen, etc. Und wenn er seine Arbeit erledigt hat, dann hilft er nicht seinen Kollegen, sondern setzt sich unauffällig in den Schatten und wartet. Pausen scheinen im südafrikanischen Arbeitsalltag eine grosse Rolle zu spielen. Das lässt sich auch andernorts feststellen, zum Beispiel bei den Gärtnern im Estate. Bei uns um die Ecke wird ein Bewässerungssystem eingerichtet, und dafür muss zuerst einmal ein Graben rund um das Beet ausgehoben werden. Drei Männer sind für diese Arbeit zugeteilt. Immer einer arbeitet, und die anderen liegen im Schatten.
Bei solchen Projekten, ebenso wie bei meinem Gartenservice, ist es in Südafrika an der Tagesordnung, dass die Arbeit von Schwarzen erledigt wird, die von einem Weissen beaufsichtigt werden. Im seltenen Fall zum Beispiel, dass der Chef meines Gartenservices auch auftaucht (weil ich telefoniert und ihn um etwas „Spezielles“ gebeten habe, zum Beispiel die Rosen zu spritzen, weil sie voller Blattläuse sind), dann gibt er nur Anweisungen. Es scheint ihm nicht im Traum einzufallen, auch nur einen dürren Zweig aufzuheben und auf den Haufen zu werfen – lieber befiehlt er einem seiner Mitarbeiter, das zu tun. Ich fühle mich immer sehr unwohl, wenn ich daneben stehe, denn ich kann wirklich nur schwer zuschauen, wie jemand arbeitet. Gut, ich bin da vielleicht ein bisschen extrem, aber ich bin mir sicher, dass es anderen Europäern ähnlich geht!
In Südafrika scheint es viele Angestellte und vor allem auch Chefs nicht zu stören, dass man sie beim Nichtstun sieht, während sie eigentlich bei der Arbeit sind. Die Vorgesetzten stehen da und schauen ihren Angestellten beim Arbeiten zu – das läuft wohl unter „Beaufsichtigen“. Wenn kein Chef beaufsichtigt, gönnen sich auch die Angestellten ein ausgedehntes Päuschen: Die Gärtner im Estate hocken gerne im Schatten statt sich um das Unkraut zu kümmern, die Verkäuferinnen palavern gerne hinter der Theke statt einzukassieren. Im Restaurant braucht es grob geschätzt fünfmal mehr Personal als in einer vergleichbaren Gaststätte in der Schweiz.
Böse ausgedrückt: Viele Südafrikaner scheinen lieber zu faulenzen als zu arbeiten. Nett ausgedrückt: Langeweile scheint in diesem Land kein Problem zu sein.
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Proudly South African
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Wir leben jetzt auf der falschen Erdhalbkugel, soviel ist klar. Das mit den Feiertagen, das ist schwierig. Sind wir nicht aufgewachsen mit Osterfeiern in einem richtigen Frühling, mit grau-braunem, noch leblosem Garten? In dem höchstens Osterglocken vom kalten Aprilwind zerzaust wurden, oder sogar noch Schnee lag auf den Schneeglöckchen? Und was ist mit den angenehmen Feiertagen im Mai, der Auffahrt und den Pfingsttagen, in denen sich jeder Schweizer für ein paar Tage gen Süden wendet, um die Hälfte des langen Wochenendes in endlosen Staus auf der Autobahn zu verbringen? Und Weihnachten, das ist doch gleichbedeutend mit kalten, dunklen langen Nächten, Bummeln unter Weihnachtsbeleuchtungen, Glühwein, Schnee... Wir werden sehen, wie sich Weihnachten feiern lässt im südafrikanischen Hochsommer. Aber vorerst sind wir gespannt auf die 1. August-Feier, den schweizerischen Nationalfeiertag. Er ist so günstig gelegen mitten im europäischen Sommer und den Sommerferien, dass mein Schweizerherz ihn immer verbinden wird mit saftigen Bergwiesen samt Heuduft, Höhenfeuern, Bratwurst vom Grill in rosa Metzger-Wachspapier gewickelt,
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