Böse Dinge geschehen
Manuskriptes ausgebreitet. Er hing bei einer Dialogzeile fest – er hatte sieben Variationen davon auf einem gelben Notizblock notiert, als das Telefon klingelte. Nach dem fünften Klingeln hob er zerstreut ab.
»Ich dachte, Sie gehen gar nicht mehr dran«, sagte Kristoll. »Was machen Sie gerade?«
»Ich versuche, mir klarzumachen, was ein Erpresser zu einem Geldwäscher sagen würde«, sagte Loogan.
»Aha … ist das die neue Geschichte?«
»Welche neue Geschichte?«
»Die, für die Sie sich neulich die Notizen gemacht haben.«
»Nein. Die ist von jemand anders. Das ist meine Arbeit. Ich redigiere die Geschichten von anderen.«
»Mist, David, Sie sollten an Ihren eigenen Geschichten arbeiten.«
»Wie das so ist, bezahlt mich jemand dafür.«
»Das könnte sich ja ändern«, sagte Kristoll. »Vielleicht sollte ich Sie entlassen.«
»Haben Sie mich deshalb angerufen? Um mich zu entlassen?«
»Nein, aber vielleicht wäre es das Beste, was ich für Sie tun könnte. Was machen Sie später?«
»Das hängt davon ab, ob ich entlassen bin. Was machen Sie denn?«
Eine Pause trat ein, bevor Kristoll antwortete, und seine Stimme klang auf einmal nachdenklich.
|54| »Ich mache mir Notizen zu einer Geschichte, die ich nie erzählen werde«, sagte er. »Haben Sie es nicht so ausgedrückt?« Noch eine Pause. »Aber vielleicht erzähle ich sie ja doch.«
»Was meinen Sie?«, fragte ihn Loogan.
»Vielleicht habe ich neulich Nacht die falsche Entscheidung getroffen.«
»Von welcher Nacht sprechen Sie?«
»Jetzt stellen Sie sich mal nicht dumm«, sagte Kristoll. »Kommen Sie doch später noch rein. In die Redaktion. Wir trinken ein Glas zusammen. Vielleicht erzähle ich Ihnen ja was.«
»In Ordnung.«
»›In Ordnung‹, sagt er. Das klingt ja sehr nüchtern. Sie müssen nicht kommen, wissen Sie. Ich habe Sie schon allzu sehr in Anspruch genommen. Sie dürfen auch Nein sagen.«
»Ich werde nicht Nein sagen«, sagte Loogan. »Wann soll ich denn kommen?«
»So um sieben.«
Die Geschichte vom Erpresser und vom Geldwäscher beschäftigte Loogan den größten Teil des Nachmittags. Seine Korrekturen füllten die Räume zwischen den Zeilen. Um halb sechs stand er mitten im Wohnzimmer. Um seine Füße herum waren die Manuskriptseiten ausgebreitet – vierundzwanzig. Die Buchstaben seiner sauberen dunklen Handschrift waren so klar wie die Druckbuchstaben. Wenn man sie von oben sah, waren sie praktisch nicht voneinander zu unterscheiden.
Länger als er vorgehabt hatte, stand er so über den Seiten. Er wollte sich gerade hinknien und sie aufsammeln, als er ein Klopfen hörte. Als er sich zum Fenster drehte, entdeckte er Laura auf der Veranda. Sie lächelte und klopfte noch einmal mit ihren Knöcheln ans Glas.
Er ließ sie durch die Küchentür herein und nahm ihr den Mantel ab, und einen Moment später war sie schon im Wohnzimmer und sah auf das Manuskript herunter.
|55| »Ich habe mich gefragt, wie das wohl wäre«, sagte sie, »wenn ich dich in einem unbedachten Augenblick erwische. Ich glaube, ich habe immer schon gedacht, dass du anders bist als andere. Ich kann mir dich bei irgendwelchen profanen Dingen einfach nicht vorstellen – wie du die Pflanzen gießt oder den Müll rausträgst. Oder am Schreibtisch, mit einem Stift, beim Redigieren. Nun stellt sich heraus, dass ich recht habe – du benutzt keinen Bleistift. Du starrst nur so lange auf das Manuskript, bis sich die Worte von selbst ins Papier einbrennen.«
Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und ließ sich auf ein Knie herunter, nahm die erste Seite in die Hand und begann zu lesen. Ihre Beine unter ihrem Rock waren nackt. Loogan knipste eine Lampe an, und das Licht schimmerte silbrig auf ihrer Seidenbluse und golden auf ihren Haarsträhnen. Sie las sechs Seiten und hätte auch bis zum Schluss weitergelesen, dachte Loogan, wenn er sie nicht unterbrochen hätte. »Ich mache dir eine Kopie«, sagte er. Sie nahm die siebte und achte Seite in die Hand und ließ den Blick darüber wandern.
»Das ist gut«, sagte sie. »Das ist sogar besser, als es eigentlich sein dürfte.« Sie stand auf und hielt die Seiten ins Licht. »Du hast da einen Haufen Arbeit hineingesteckt.«
»Das ist nicht schwer«, sagte er, »wenn man bloß auf die Seiten starren muss.«
»Manchmal denke ich, dass es besser ist, wenn man an den Texten noch arbeiten muss«, sagte sie. »Wenn man auf Anhieb sehen kann, was falsch ist und wie man es verbessert. Und dann korrigiert man es und
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