Böse Dinge geschehen
sie zu ihm.
»Du träumst, Lizzie«, sagte er.
Elizabeth trat ins Zimmer. »Du glaubst, er ist gesprungen, nehme ich an. Deshalb machst du Fotos.«
»Ich fotografiere die Fakten.«
»Die Bilder sind sicher sehr nützlich«, sagte sie. »Wir werden jedes Beweismittel, das wir aufbringen können, brauchen, wenn wir ihn vor Gericht stellen wollen, weil er sich umgebracht hat.«
Sie durchquerte das Büro, ging zum offenen Fenster und sah hinunter. Eine kleine Menschenmenge harrte unten auf der Straße aus. Die Gerichtsmedizinerin kniete neben der Leiche. Die Decke war zur Seite gelegt worden.
»Wessen geniale Idee war denn die Decke?«, fragte Elizabeth.
»Das war niemand von uns«, sagte Shan. »Die Frau, die es gemeldet hat, sie hat ihn mit einer Decke aus ihrem Auto zugedeckt. Sie hatte ihre Kinder dabei.«
|62| Elizabeth nickte und betrachtete schweigend die Szene unter ihr.
Shan steckte die Digitalkamera in seine Manteltasche. »Also gut, Lizzie«, sagte er. »Mach’s nicht so spannend. Warum glaubst du, dass er nicht gesprungen ist?«
Sie entfernte sich vom Fenster. »Vielleicht ist es auch nur ein Gefühl.«
»Das glaube ich nicht.«
»Der Westwind trägt mir Neuigkeiten zu.«
»Schön. Behalt sie für dich.«
Sie musterte das Zimmer, von den Bücherregalen über den Schreibtisch bis zur Garderobe an der Tür, an der ein langer Mantel und ein schwarzer Filzhut hingen.
Sie sagte: »Hast du je überlegt, dich umzubringen, Carter? Ach, vergiss es. Ist egal. Stell dir nur einmal vor, du hättest darüber nachgedacht, und du bist hier in deinem Büro und beschließt, heute ist der Tag. Du siehst dich um, und du hast keine Pistole zur Hand, kein Seil, aber da gibt es ja das Fenster. Würdest du springen?«
»Warum nicht?«
»Das ist die richtige Einstellung«, sagte Elizabeth. »Warum nicht? Aber es ist nicht gerade das ideale Fenster zum Springen. Du musst es hochschieben, und die Öffnung ist gerade mal – was? – sechzig Zentimeter im Quadrat? Du passt da schon durch, aber es wird mühsam werden. Wie willst du denn vorgehen?«
Shan betrachtete das Fenster. »Ich weiß es nicht. Mit dem Kopf oder mit den Füßen zuerst – ich nehme mal an, das ist kein großer Unterschied. Ich möchte, dass es schnell geht.«
»Wirklich?«
Er sah nachdenklich aus. »Nein, du hast recht. Ich möchte es noch ein wenig aufschieben, mich an den Gedanken gewöhnen.« Er bückte sich, um die untere Schreibtischschublade aufzuziehen. Darin lagen zwei Gläser und eine Flasche. »Ich würde noch einen Schluck nehmen«, sagte er.
|63| Elizabeth berührte die Glasperlen an ihrem Hals. »Ja. Du bist ein Mann, der so gern Scotch trinkt, dass er eine Flasche davon in seinem Schreibtisch aufbewahrt – du wirst noch ein Gläschen trinken wollen.«
»Vielleicht hat er sich einen Schluck aus der Flasche genehmigt und sie danach wieder in die Schublade getan.«
»Vielleicht. Eakins wird es uns sagen können.« Lillian Eakins war die Gerichtsmedizinerin. »Also, dann hattest du deinen Drink oder auch nicht, und das Fenster winkt immer noch. Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Wie kommst du da durch?«
»Nicht mit dem Kopf zuerst«, sagte Shan. »Das wäre zu furchteinflößend. Man macht es mit den Füßen zuerst. Man würde auf dem Fensterbrett sitzen und die Beine baumeln lassen und sich dann irgendwie zurücklehnen und durchschlüpfen – nein, das ist zu umständlich. Man würde doch eigentlich auf den Sims klettern und dann einen Moment dastehen, um sich zu orientieren. Aber da draußen gibt es keinen Sims.«
»Nein«, sagte Elizabeth.
»Wenn er hätte springen wollen, wäre er nicht aus diesem Fenster gesprungen. Er hätte sich einen Platz ausgesucht, an dem er stehen könnte.«
»Ja.«
»Er wäre aufs Dach hochgegangen«, sagte Shan. »Aber vielleicht konnte er das nicht. Vielleicht gibt es keinen Zugang zum Dach. Du lächelst. Das ist dein undurchdringliches Lächeln. Du bist schon oben gewesen.«
»Die Treppenstufen am nördlichen Ende des Gebäudes führen ganz bis nach oben«, sagte Elizabeth. »Es gibt dort eine Tür mit einem Schloss, aber das Schloss ist kaputt. Die Leute gehen da hoch und rauchen. Es gibt eine niedrige Mauer. Man könnte sich daraufstellen und all seinen Mut zusammenkratzen. Wenn man springen wollte, dann wäre das die Stelle, die man dafür wählen würde.«
|64| »Nehmen wir an, dass er dort hingegangen ist«, sagte Shan. »Er beschließt, dass er springen will, öffnet dieses
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