Böse Dinge geschehen
weiß, dass es jetzt stimmt. Und dann gibt man es dem Autor zurück, und er kann, wenn er bei Trost ist, überhaupt nichts dagegen sagen.«
Sie legte die acht Seiten weg und setzte sich ans Sofaende.
»Ich frage mich, ob Tom überhaupt begreift, was für eine gute Wahl er getroffen hat, als er dich eingestellt hat«, sagte sie.
Loogan ließ das unkommentiert. Er sah, wie sie das Kissen neben sich tätschelte.
|56| »Komm, setz dich zu mir, David«, sagte sie. »Ich bin nicht gekommen, um mit dir über Lektoratsarbeit zu sprechen. Ich bin gekommen, weil ich sehen wollte, was du damit gemacht hast.« Ihr Blick wanderte zu der gerahmten Fotografie, die über dem Kamin hing – Glas und Blütenblätter und Papier. »Es ist ein bisschen zu klein für die Stelle, aber es gefällt mir trotzdem so. Ich kann mich nicht daran erinnern, was da vorher hing.«
»Irgendein schreckliches Gemälde mit Segelbooten«, sagte Loogan.
»Ach ja. Das hier ist viel besser. Ich wusste nicht, ob es dir gefallen würde. Tom wollte dir ein Geschenk kaufen, und ich wollte dir das ohnehin geben. Du bist nicht wütend, oder?«
»Ich bin nicht wütend.«
»Ich finde es schön, es da zu sehen und an jenen Tag zu denken.« Sie wandte sich Loogan zu, legte ihren Arm auf den Sofarand und strich ihm mit den Fingern durchs Haar. »Und es war genau hier…« Sie musste nicht sagen, was genau hier gewesen war. »Ich finde, wir sollten diese Kissen auf den Boden legen, David«, sagte sie leise. »Ich finde, du solltest Feuer machen. Damals hatten wir keins, aber an einem Tag wie heute wäre das sehr schön.«
»Ich finde, das ist keine so gute Idee«, sagte Loogan.
»Wir müssen kein Feuer machen.«
Er sagte nichts. Ihre Hand zog sich zurück. Sie wanderte vorn zu ihrer Bluse. »Du redest gar nicht vom Feuer«, sagte sie und musterte ihn. »Ich hätte es wissen müssen. Du bist mir die letzten beiden Wochen ausgewichen.«
Loogans Gesicht blieb ausdruckslos. Er starrte auf die Fotografie über dem Kamin.
Schließlich sagte er: »Die Sache ist die, ich mag ihn.«
»Ja, das muss es wohl gewesen sein«, sagte sie mit dünner Stimme. »Ich wusste, dass du ihn magst. Wenn es nicht so wäre, hätte es nicht funktioniert. Wenn du ihn gehasst hättest, hätte ich nichts mit dir zu tun haben wollen. Aber er ist dein Freund. |57| Und ich hätte es wissen müssen – David Loogan ist ein loyaler Mensch.« Sie seufzte. »Tom und du, ihr seid wie diese Fabel. Wie heißt sie noch?«
»Ich weiß nicht –«
»Androklus«, sagte sie. »Androklus und der Löwe.« Sie unterbrach sich, um sich eine Haarsträhne hinters Ohr zu stecken. »Androklus ist ein entflohener Sklave, der durch den Wald wandert. Er stößt auf einen Löwen mit einer blutigen Pfote. Der Löwe ist in einen Dorn getreten. Androklus zieht ihn heraus.«
»Ich dachte, es war eine Maus, die den Dorn herausgezogen hat.«
»Das ist eine andere Fabel«, sagte sie. »Androklus zieht ihm den Dorn heraus, und danach freundet sich der Löwe mit ihm an. Er jagt für ihn und bringt ihm Nahrung. Dann werden beide gefangen genommen, und Androklus wird dazu verurteilt, im Colosseum den Löwen vorgeworfen zu werden. Aber anstatt Androklus in Stücke zu zerreißen, legt sich der Löwe ihm zu Füßen.«
Loogan lehnte sich zurück. »Bin ich Androklus in diesem Szenario?«
»Du bist der Löwe«, sagte Laura. »Der Löwe ist dankbar. Er wird Androklus nicht angreifen. Er wird dafür sorgen, dass Androklus überhaupt keinen Schaden erleidet.« Sie lächelte matt. »Er wird auf gar keinen Fall mit Androklus’ Frau schlafen.«
Sie schob sich dicht an ihn heran und legte ihm den Kopf in die Mulde an seiner Schulter. »Armer David. Du hattest Angst, es mir zu sagen, oder? Du dachtest, ich würde weinen.«
»Ich dachte, du würdest mich umstimmen«, sagte er.
»Ich habe das Gefühl, ich könnte sogar beides, aber ich werde es nicht tun. Ich gehe, wenn du möchtest.«
Er legte den Arm um sie. »Du musst nicht gehen.«
»Ich möchte nicht. Ich möchte eine Weile hier sitzen und gar nichts sagen. Ist das in Ordnung?«
»Natürlich.«
|58| Loogan wachte im Halbdunkel wieder auf. Laura Kristoll stand über ihm. Er packte ihr Handgelenk und setzte sich abrupt auf.
»Ganz ruhig, David. Ich bin’s bloß.«
»Es ist dunkel«, sagte er.
»Ich habe die Lampe ausgeknipst. Ich gehe jetzt.« Sie hatte ihren Mantel an.
»Wie spät ist es?«, fragte er.
»Zwanzig nach sieben. Was ist denn los?«
Er stand auf.
Weitere Kostenlose Bücher