Böse Dinge geschehen
Oder aus einem offenen Fenster.«
Hifflyn stand da und sah zu Boden. Mit der Schuhspitze fuhr er an dem Umriss einer Steinplatte entlang.
»Damals hatte ich meine Gründe«, sagte er. »Wenn Tom vor zwanzig Jahren umgebracht worden wäre, dann wäre ich vielleicht der Hauptverdächtige gewesen. Ich weiß nicht, was das heute für Konsequenzen hat.«
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Die Schränke in Sean Wrentmores Küche waren effizient eingeräumt, die Herdoberfläche war sauber. Auf den Küchentresen lagen keine Krümel.
In der Spüle stand ein Glas, im Geschirrspüler waren ein paar Teller. Im Kühlschrank schließlich gab es einige Anzeichen von Wrentmores Abwesenheit: eine abgelaufene Milchpackung, Reste, die allmählich zu schimmeln begannen.
David Loogan machte den Kühlschrank wieder zu und ging ins Wohnzimmer. Er registrierte eine ziemlich teure Stereoanlage und einen Flachbildschirmfernseher. Die Möbel schienen als Garnitur erworben worden zu sein: das Sofa passte zum Lehnstuhl, der Kaffeetisch zu den Beistelltischen. An der Wand hingen ein paar Fotografien in Metallrahmen. Die meisten zeigten Porträts von Menschen in Dritte-Welt-Umgebung: Frauen an einem Brunnen, junge Männer, die an einer Mauer voller Graffiti lehnen. Ihr Ausdruck war ausnahmslos ernst, manchmal wütend, manchmal resigniert.
Die Fotos stammten nicht von Wrentmore. Sie waren mattiert und von der Fotografin signiert, einer Frau, von der Loogan noch nie gehört hatte. Es gab keinerlei persönliche Aufnahmen, keine Schnappschüsse, Loogan konnte auch keine Fotoalben entdecken.
Er ging einen Flur entlang und stieß auf das Schlafzimmer. Es war groß und diente außerdem als Arbeitszimmer. Schreibtisch am Fenster. Bücherregale. Eine kleine Kammer enthielt Anzughemden und Rollkragenpullover, Khakihosen und Jeans – sie schienen die passende Größe für den Mann auf dem Fußboden |153| von Tom Kristolls Arbeitszimmer zu haben, so wie Loogan ihn in Erinnerung hatte. In einer Ecke des Schranks stand ein Gewehr, dessen Lauf zur Decke zeigte. Auf dem Regal darüber eine Schachtel mit Munition. Eine kleinere Schachtel mit .22er-Munition. Loogan dachte an die mit Nickel verzierte Pistole im Knöchelhalfter des toten Mannes.
Loogan verließ die Kammer und setzte sich an den Schreibtisch, der mit leeren Notizblöcken und verstreuten Kugelschreibern und Bleistiften übersät war. Es gab keinen Computer, wie Michael Beccanti gesagt hatte, und Loogan vermutete, dass die Unordnung dazu da war, das Fehlen des Computers zu verbergen.
Er durchsuchte beiläufig die Schubladen des Schreibtisches und stieß auf einige Telefonrechnungen und Nebenkostenbescheide, aber nicht auf Kontoauszüge oder Scheckhefte. Es gab keine Zeitungen, keine Notizbücher, nichts, was darauf hindeuten konnte, dass der Besitzer des Schreibtisches ein Schriftsteller war. Es gab Karteikarten, aber sie waren alle leer. Loogan blätterte sie locker durch. Er hätte gern ein kryptisches Wort gefunden oder eine Zahlenreihe – ein Passwort, das die Informationen auf dem Stick freigeben würde, den Beccanti versteckt hinter der Frontplatte einer Steckdose gefunden hatte. Er fand nichts dergleichen. Aber in einer der Schubladen grub er einen Studentenausweis aus, auf dem Sean Wrentmores Name stand. Er war zwar seit zehn Jahren abgelaufen, stammte von einem College in Ohio, aber das Foto war noch erkennbar. Schmales Gesicht und lange schmutzig-blonde Haare, eine jüngere Version des Mannes, den Tom und er in Marshall Park begraben hatten.
Die Bücher in Wrentmores Regalen entsprachen mehr oder weniger dem, was Loogan erwartet hatte. Die meisten waren Kriminalromane. Da gab es Raymond Chandler, Dashiell Hammett und Rex Stout. Was zeitgenössische Autoren anbelangte, schien Wrentmore Michael Connelly, Jeffery Deaver und Elmore Leonard |154| zu bevorzugen, aber Nathan Hideaway, Bridget Shellcross und Casimir Hifflyn waren ebenfalls vertreten.
Bei allen anderen Büchern herrschte Eklektizismus: Science Fiction von Robert Heinlein, eine Anthologie von Mark Twain, die Stücke von Edmond Rostand.
Loogan schlug einen der Romane von Nathan Hideaway auf und bekam eine Ahnung von Wrentmores Persönlichkeit. Ganze Passagen waren unterstrichen, und an den Rändern standen Anmerkungen. Wrentmore hatte ganze Dialogpassagen mit Klammern markiert und daneben geschrieben:
gestelzt
. Er hatte Absätze eingekringelt. Daneben stand:
Igitt!
oder
Gott, wie grässlich.
Auf der letzten Seite eines von Bridget Shellcross’
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