Böse Dinge geschehen
heranschleichenden Angreifers. Dennoch wusch er sich, und niemand griff ihn an, obwohl er eine Sekunde lang dachte, er hätte etwas anderes gehört als das Geräusch des Wassers. Er dachte, er hätte jemanden aufschreien gehört.
Er drehte den Hahn ab, griff nach einem Handtuch, und der Schrei wiederholte sich nicht. Er nahm das Handtuch mit in die Diele, ging langsam, trocknete sich das Haar und lauschte, als er den Treppenabsatz erreichte. Dann rief er Beccantis Namen.
|210| Er erhielt keine Antwort.
Als er die Treppe herunterging, hatte er immer noch das Handtuch in der Hand. Am Fuß der Treppe war es kühl. Das Wohnzimmerfenster, das auf die Veranda herausführte, stand weit offen. Die Vorhänge flatterten. Im Wohnzimmer war es dunkel, nur vom Flur oben drang etwas Licht herunter. Im Dämmer konnte er Beccanti auf dem Sofa sitzen sehen. Er rief noch einmal den Namen des Mannes, er konnte ihn atmen hören.
Draußen auf der Straße wurde ein Motor gestartet. Ein Wagen fuhr davon.
Loogan knipste die Stehlampe an. Zuerst sah er das Blut auf dem Teppich: eine ganze Lache, wo Beccanti hingefallen war. Er musste sich weitergeschleppt, sich aufs Sofa hochgezogen haben. Das Blut auf seinem Hemd war kaum zu erkennen, es war ein feuchter Schimmer auf dem schwarzen Stoff. Beccanti hatte seine rechte Hand gegen den Bauch gepresst, zwischen seinen Fingern quoll dickes Rot hervor. Das Messer lag neben ihm auf dem Sofa. Loogan kannte die lange Klinge, es war ein Messer aus der Küche.
Zuletzt sah er die Wunde an Beccantis Kehle: eine dunkle Linie, und das Blut lief unter den Hemdkragen. Loogan hatte das Handtuch in der Hand, er stürzte auf Beccanti zu und drückte es ihm an die Kehle – zu fest, sodass Beccanti aufkeuchte. Loogan lockerte den Druck ein wenig.
Das Telefon war auf der anderen Seite des Zimmers. Loogan grub mit seiner freien Hand Beccantis Handy aus dessen Hosentasche, wählte den Notruf und bekam die Vermittlung.
»Ich brauche einen Krankenwagen«, sagte er. »Mein Vater hat einen Herzanfall.« Die Lüge ging ihm leicht über die Lippen. Seine Stimme vermittelte den nötigen Ausdruck von Dringlichkeit.
»Bitte geben Sie mir Ihren Namen und Ihre Adresse, Sir.«
»David Loogan«, sagte er und gab seine Anschrift an.
|211| Die Frau bat ihn, am Apparat zu bleiben, und er wusste nicht, was jetzt kommen würde – vielleicht Musik, während er wartete –, aber es herrschte bloß Schweigen, und dann war sie einen Augenblick später schon wieder am Apparat.
»Der Krankenwagen ist unterwegs, Sir. Ist Ihr Vater bei Bewusstsein?«
»Ich glaube nicht, dass er es noch sehr lange sein wird. Es eilt wirklich, ja?«
Sie wollte noch etwas erwidern, aber er legte auf. Beccantis Stirn war feucht und blass unter seinen dunklen, verfilzten Haaren, sein Blick verschwommen. Sein Mund bewegte sich, aber es kamen keine Worte.
»Es ist nicht schlimm«, sagte Loogan. Idiotisch. »Manchmal ist es nicht so schlimm, wie es aussieht.«
Beccantis Augen schlossen sich, und Loogan fluchte leise vor sich hin, aber nach ein paar Sekunden öffneten sich seine Lider wieder flatternd.
Blut sickerte durch das Handtuch. Loogan schlug es einmal um. Er beugte sich über Beccanti, hatte ein Knie auf das Sofakissen gestützt. Er konnte die Bauchverletzung sehen, das Blut, das über Beccantis Finger tropfte. Die Bauchverletzung könnte die schlimmere sein, dachte er.
Er fluchte noch einmal und steckte Beccanti die Handtuchzipfel hinter die Schultern. »Bin gleich wieder da«, sagte er.
Seine Schuhe standen am Fuß der Treppe. Er schlüpfte hinein und flitzte in die Küche, machte das Deckenlicht an, das Verandalicht, schob den Riegel der Haustür zurück und öffnete sie weit. Er holte ein paar Geschirrhandtücher aus dem Schrank, schnappte sich seinen Mantel. Dann ging er wieder ins Wohnzimmer und warf den Mantel auf eine der mittleren Treppenstufen. Wieder über Beccanti gebeugt, löste er die Hand des Mannes vorsichtig vom Bauch und presste die Geschirrhandtücher auf die Wunde. Er öffnete Beccantis Gürtel und zog ihn aus den Schlaufen. Dann legte er ihn um Beccantis Taille – ein |212| Aufkeuchen – und zurrte ihn über den Geschirrhandtüchern fest.
Leichter Druck auf den Hals, Druck auf den Bauch, Loogan hütete Michael Beccanti. Beccanti hatte seine Augen wieder geschlossen, sein Atem ging flach wie bei einem schlafenden Kind.
Das Blaulicht spiegelte sich auf der Wand hinter dem Sofa wider.
Loogan hatte nicht auf die Uhr
Weitere Kostenlose Bücher