Böse Dinge geschehen
Bademantel gehüllt auf die Veranda treten würde, mit zerzaustem schwarzem Haar und nackten Füßen. Bei seinem Anblick würde sich ihr Gesicht aufhellen, und dann wäre sie angemessen ernst, während sie seinen Erklärungen zuhörte. Er würde ihr sagen, dass er es nicht gewesen war: Er hatte Michael Beccanti nicht erstochen.
Dann aber wendete er und fuhr zur Main Street und von dort aus zur Interstate, I-94 Richtung Osten. Einige Kilometer lang fuhr er hinter einem Sattelschlepper her. Schließlich nahm er die Ausfahrt auf die Route 23, die nach Ohio führte.
|215| 23
Elizabeth Waishkey hatte noch nie in drei Mordfällen gleichzeitig ermittelt. Und als sie am Dienstagnachmittag im Wohnzimmer von David Loogans gemietetem Haus stand, kam ihr in den Sinn, dass sie auch noch nie zuvor solch eine persönliche Beziehung zu einem Tatort empfunden hatte. Und doch war sie vor etwas mehr als einer Woche genau hier, in diesem Zimmer, gewesen. Sie hatte auf ebendem Sofa gesessen, auf dem Michael Beccanti später verblutet war.
Jetzt war sie allein im Haus. In der Nacht war es von einem Haufen Detectives durchsucht worden. Beccanti war, zwei Minuten vom Universitätskrankenhaus entfernt, im Krankenwagen gestorben. Kurz vor drei Uhr morgens erhielt Elizabeth die Nachricht von Carter Shan. Als sie Loogans Haus erreichte, war Shan, zusammen mit Harvey Mitchum und Ron Wintergreen, bereits dort. Kurze Zeit später traf auch Kim Reyes ein. Und dann Owen McCaleb, der einen dunkelblauen Trainingsanzug und weiße Laufschuhe trug.
Sie hatten gleich mit einigen Nachbarn gesprochen, und McCaleb war voller Wut, als er erfuhr, wie leicht Loogan vom Tatort entkommen war. Er ließ seine Wut an den beiden Streifenpolizisten aus, die zu langsam auf den Notruf reagiert hatten. Elizabeth wurde nur aus der Ferne Zeugin des Gesprächs – sie bildeten drei dunkle Schemen unter einer kahlen Ulme. Sie konnte McCaleb nicht hören, aber als er fertig war, schlichen die Polizisten eingeschnappt davon und lungerten anschließend eingeschüchtert um den Streifenwagen herum, als wären sie sich nicht sicher, ob sie wegfahren oder dableiben sollten.
|216| Mitchum und Wintergreen waren als Erste der Detectives eingetroffen. McCaleb übertrug ihnen die Verantwortung für den Tatort. Er schickte Elizabeth und Shan zum Universitätskrankenhaus, um Beccantis persönliche Gegenstände sicherzustellen und die Frau von der Vermittlung zu vernehmen, die Loogans Notruf angenommen hatte. In der Notaufnahme sprachen sie mit den beiden Rettungssanitätern. Keiner hatte Loogan im Hause bemerkt, aber die Frau sagte, sie hätte das Gefühl gehabt, dass sich vielleicht jemand im ersten Stock versteckt hätte. Anschließend schilderte sie ihren Eindruck, dass sich jemand offenbar große Mühe gemacht hatte, Beccantis Wunden zu versorgen und den Blutverlust zu stoppen. »Glauben Sie, das war er?«, fragte sie.
Später erfuhren Elizabeth und Shan, dass bislang niemand Kontakt zu Michael Beccantis Angehörigen aufgenommen hatte. Sie fuhren nach Saline, um mit Beccantis Freundin Karen Fenton zu sprechen. Sobald die Frau im Eingang ihres Wohnwagens stehend die beiden Detectives erblickte, verfinsterte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie weigerte sich, Platz zu nehmen, und nahm die Nachricht, in eine Jogginghose und in ein langes T-Shirt gekleidet, die Arme vor ihrem sich wölbenden Bauch verschränkt, scheinbar ungerührt zur Kenntnis. Erst als Elizabeth versuchte, sie am Arm zu fassen, zog sie ihn ruckartig weg, taumelte, fiel dann auf die Knie und begann, laut zu weinen und zu klagen. Shan gelang es, sie zu einem Stuhl zu führen. Weinend ließ sie sich nieder und presste sich ihre Handballen an die Augen. Sie taten ihr Bestes, um sie zu trösten, bis eine ihrer Nachbarinnen, eine ältere Frau, die einen Wollmantel über einem blassblauen Nachthemd trug, erschien. Erst jetzt schien Karen Fenton sich zu beruhigen. Die Frau flüsterte Karen etwas zu, setzte Teewasser auf und bat Elizabeth und Shan, zu gehen.
Bei Sonnenaufgang waren sie wieder in Loogans Straße. Sie besprachen sich mit Harvey Mitchum und den anderen Detectives, die den Tatort untersucht hatten. Es gab keine Neuigkeiten, |217| was Loogan anbelangte. Man hatte eine Fahndung nach seinem Wagen eingeleitet, aber bislang gab es keine Hinweise darauf, wo er hingefahren sein könnte.
Elizabeth verbrachte den Morgen mit Sitzungen und Papierkram. Später am Vormittag gelang es ihr, zu frühstücken, zu duschen
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