Böse Freundin (German Edition)
einen verwandten Geist. Ein Klassenzimmer betrachtete sie als Schmelztiegel für globalen Fortschritt, jeden Lehrer als geborenen Idealisten – während Huck mit seinem Beruf den Ansatz verfolgte, den unaufhaltsamen Niedergang der Welt ein wenig zu verlangsamen. Celia sah darin lediglich einen semantischen Unterschied, aber Huck wusste, dass nur eine Erleuchtung ihm zu Celias rosigerer Perspektive würde verhelfen können. Es war eine religiöse Differenz zwischen Menschen ohne Religion, eine Mischehe ohne Ehe. Ein Missverhältnis, das Huck soeben in Celias Stimme nicht gehört zu haben glaubte, und sein Fehlen verstörte ihn fast so wie der gestrige Nachmittag, an dem er Celia beim Heimkommen im Dunkeln auf dem Bett liegend vorgefunden hatte.
Nichts hatte darauf hingewiesen, dass sie schon vor ihm zu Hause war und dieser Montag sich in irgendetwas von jedem anderen unterschied. Huck hatte mit den Hündinnen den üblichen Nachmittagsspaziergang gemacht und wollte sich dann aus dem Schlafzimmer eine Zeitschrift holen. Er tastete auf seiner Seite des Bettes danach; erst in dem Moment bemerkte er Celia und fuhr zusammen, als hätte sie sich von hinten an ihn angeschlichen. «Ceel?», sagte er unsicher. Am Morgen hatte sie ihn noch wie üblich geweckt, ihm die Hand auf die Schulter gelegt und «Huck» gesagt, was klang wie das Knarzen ihrer ältlichen Couch, wie etwas, das repariert werden musste. Im Zwielicht der einfallenden Dämmerung stand er über sie gebeugt und zerbrach sich den Kopf, welches schwere Leiden sie dazu gebracht haben mochte, vorzeitig von der Arbeit nach Hause zu fahren. Wenn es sein musste, verbarrikadierte sie sich in ihrem Büro mit Kräutertee, Ibuprofen und Zinktabletten, um sich bloß nicht auch nur einen Tag krankzumelden. Sie zu pflegen würde ihn zu überpünktlichem Aufstehen zwingen und aus ihm womöglich wieder die Sorte Mensch machen, der sich um den verstopften Abfluss des Waschbeckens im Bad kümmerte, um die lose Klinke an der Schlafzimmertür oder um ihre heißgeliebte Couch. Seine Anstrengungen würden Celia gesund und ihn zu jemandem machen, der alles erledigte, was ihm aufgetragen wurde, und nächste Woche wären sie beide wieder sie selbst.
Aber Celia war nicht krank. Auf der Couch schmiegte sie sich eng an ihn, als verlange es sie verzweifelt nach Wärme. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, was sie ihm zusammen mit dem, was sie erzählte, wie eine Unbekannte erscheinen ließ. Zwei Herzschläge lang fand er sich in ein fremdes Leben versetzt – eine der erschreckendsten Erfahrungen, die ihm je zuteilgeworden war. Die Möbel, die Hunde, die Frau neben ihm – er wollte nichts davon wissen, konnte nichts damit anfangen. «Ach du meine Güte», hatte er gesagt, und der Klang seiner Stimme brachte ihn zurück ins Hier und Jetzt. Er nahm Celias Kinn und drehte ihren Kopf zu sich. Wie verletzlich sie mit einem Mal wirkte; ein Anblick, so überraschend wie Regentropfen, die nach oben fielen, oder ein verstummtes, stilles Meer. Verschwunden war die Frau der Patentrezepte und Ratgeberbücher, der Terminpläne und Ablaufdiagramme, die Frau, die jede Aufgabe methodisch anging, Schritt für Schritt. Huck hatte selbst bei der Fluggesellschaft angerufen, um ihre beiden Flüge zu buchen, und dann Celias Hand gehalten, während sie mit ihrer Mutter telefonierte. Die Hündinnen waren auf die Beine gekommen, als Djunas Name fiel; Celias brüchige Stimme weckte einen Beschützerinstinkt, der Hucks Herz schneller schlagen ließ und ihn drängte, sie fest an sich zu drücken. Ihre scheinbar unerschütterliche Eigenständigkeit zerbröckeln zu sehen war für Huck keine geringere Offenbarung als der erste Anblick ihres nackten Körpers im Schlaf. Seine fürsorglichen Ratschläge und ihre Unsicherheit, wie sie die kommende Woche am besten angehen sollte, schmiedeten ein neues Band zwischen ihnen.
In der Nacht hatten sie beide kein Auge zugetan. Normalerweise behalf sich Huck in solchen Fällen mit einem Joint, aber in letzter Zeit hatte Celia daran wieder Anstoß genommen; also brachte er stattdessen einen Großteil der Zeit damit herum, tief und gleichmäßig zu atmen und sich möglichst nicht zu rühren. Einen Vorteil hatte dies immerhin: Er stand mit ihr zusammen auf, sodass sie ihn am Morgen ihres Flugs nicht auch noch wecken musste. Nach ihrem Abschiedskuss wurde ihm bewusst, dass sie seit Wochen nicht mehr miteinander geschlafen hatten. Irgendetwas ging mit ihnen vor, und zwar schon eine
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