Böse Freundin (German Edition)
1970er Jahren, hatte ein fensterloses Gebäude als zukunftweisend gegolten. Die meisten hielten es für ein Gefängnis. Auf einem benachbarten Hügel wölbten sich die anmutigen Zwiebeltürme der örtlichen russisch-orthodoxen Kirche, neben der die Schule sich wie ein hässliches Entlein ausnahm. Seit ihrem Abschluss war Celia nur noch im Traum dorthin zurückgekehrt.
Der Anblick des Parkplatzes war gleichzeitig vertraut und fremd, wie ein ehemaliger Babysitter mit Zahnlücken, der inzwischen Brücken verpasst bekommen hatte. In Celias Schulzeit hatten hier Accords und Volvos den Sechzehnjährigen aus den grünen Siedlungen am Hügel das Leben versüßt, während die vielfach geflickten Camaros und Pick-ups den Schülern aus den in jeder Hinsicht niedriger angesiedelten Wohngegenden am Fluss gehörten. Diese Unterscheidungen waren vom SUV zunichtegemacht worden. Selten hatten die Geschmäcker von Teenagern so problemlos mit den Vorlieben ihrer Eltern zusammengepasst – dank eines Vehikels, das autonärrische Fahranfänger sicher ans Ziel brachte und dabei alles, was sich ihm in den Weg stellte, platt walzte.
Das Schulgebäude selbst war vollkommen unverändert. Im Näherkommen machte sich ein vertrautes, mulmiges Gefühl in Celias Bauch breit – ein Reflex aus den zahllosen Vormittagen, die sie diesem schattigen Verlies geopfert hatte. Nur der Platz vor dem Eingang sah anders aus: Rechts stand eine vom Abschlussjahrgang 1995 gespendete Bank, und ihr gegenüber eine Büste auf einem riesenhaften Unterbau. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich die Büste mit der Inschrift William Jensen, Schenkung des Abschlussjahrgangs 1996 als nahezu lebensgroß. Offensichtlich hatte der Jahrgang mit ihrer Anfertigung sein gesamtes Budget erschöpft, denn der Sockel – ein Monstrum, das den Stadtgründer in einen lächerlichen Erbsenkopf verwandelte – war von jemand anderem gespendet worden. Auf der anderen Seite des Gehwegs lag ein grauer Findling, etwa so groß wie ein zusammengekauertes Kind, in den die Worte JENSENVILLE HIGH, SCHENKUNG DES ABSCHLUSSJAHRGANGS 1993 eingemeißelt waren. Darüber schwebte das Schulmaskottchen, der Eichelhäher mit den ausgebreiteten Schwingen, der Kapitulation signalisierte. Der Stein erinnerte Celia an eine Grabplatte – als wären sie und ihre ehemaligen Mitschüler dazu verurteilt, hier auf ewig vereint ihre letzte Ruhestätte zu finden.
Die Eingangshalle war leer, die Vitrine stand immer noch an derselben unbeachteten Stelle neben dem Empfang. Die Plaketten, Trophäen und Zeitungsfotos darin unterschieden sich in nichts von dem, was von den Triumphen aus Celias Schulzeit übrig geblieben war. Sie ließ den Blick kurz über die Gesichter der Schüler wandern, deren weiterer Lebensweg zeigen würde, ob sie diese Siegermomente irgendwann zu den Akten legten oder ein Leben lang darauf hofften, dass sie zurückkehrten. Celias verschwommene Erinnerung an das Sekretariat schärfte sich, während sie vor dem Tresen darauf wartete, zur Kenntnis genommen zu werden. Ihre Gesichtsmuskeln erinnerten sich an das devote Lächeln, das es hier aufzusetzen galt. Von den drei Schreibtischen schienen zwei zu viel zu sein. Auf dem einen stand eine Flasche Nagellack, auf einem anderen lag ein Taschenbuch. Formulare wurden hin und her geschoben, Telefonhörer abgenommen und wieder aufgelegt, um den Anschein von Geschäftigkeit zu erwecken. Schließlich, als wäre ihr die Idee eben erst gekommen, wandte sich die Sekretärin mit dem Nagellack dem langen, schmalen Tresen zu, der ihr Karree nach vorn begrenzte. «Ach, Sie sind Noreens Tochter!», krähte es von allen Seiten, nachdem Celia sich eingetragen hatte. Es folgte eine wechselseitige Musterung. Zwei der Sekretärinnen stammten mit ihren glitzernden Kreolen, den künstlichen Nägeln und den nachgemalten Augenbrauen eindeutig aus der Arbeitergegend von Jensenville. Die dritte hatte French Nails und goldene Ohrstecker und gehörte damit ebenso eindeutig zur Mittelschicht, die ihre Grundstücke in Hanglage hatte. Die beiden Jüngeren trugen das Haar noch lang, doch sobald die Wechseljahre einsetzten, würden sie es der dritten Sekretärin nachtun, die eine ähnliche Kurzhaarfrisur wie Celias Mutter hatte. Celia taxierte das Trio ebenso gnadenlos, wie sie von ihm mit Blicken seziert wurde. Dergleichen lernte man auf der Highschool.
«Mal wieder bei der Mama zu Besuch?», fragte die Ältere mit rauchgeschädigt klingender Stimme. Ob sie sich nur ähnlich
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