Böse Freundin (German Edition)
ihr?», fragte das Mädchen.
«Nicht mehr so oft», sagte Celia. Sie zupfte am Saum ihrer Bluse und zog sie vorne glatt, aber das Schalom-Mädchen achtete schon nicht mehr auf sie – eine weniger, die Celias Rückverwandlung in eine Schülerin bezeugte.
Die Tür mit der Aufschrift NOREEN DURST, M.A. führte in ein Büro, das etwa so groß war wie einer der SUVs auf dem Schulparkplatz. Der Bücherschrank an der einen Wand enthielt die Jahrbücher aus Noreens Dienstzeit in fortlaufender Folge, eine Sammlung von College-Katalogen und ein Regal mit Titeln wie Hühnersuppe für die Seele: Für Teenager. Celias Mutter saß hinter demselben Schreibtisch, der Celia noch aus der Großraumbürophase in Erinnerung war, und hatte dasselbe gerahmte Foto von Celia und ihrem Bruder aus dem Jahr 1981 vor sich stehen. Der einzige augenfällige Neuzugang war ein geschlossener Glaszylinder, in dessen wässrig aussehendem Inneren kleine, mit einer Flüssigkeit gefüllte Glaskugeln auf unterschiedlicher Höhe schwebten.
«Gefällt es dir?», fragte ihre Mutter. «Das ist ein Galileo-Thermometer. Dein Vater hat es mir vor Ewigkeiten geschenkt, nachdem ich mich zum zigsten Mal beklagt habe, dass ich in einem fensterlosen Gebäude arbeiten muss. Es soll mich dankbar machen für das perfekte Raumklima, das hier herrscht, aber eigentlich sehe ich es mir vor allem gern an. Schau, auf der untersten Kugel, der roten, kannst du die Temperatur ablesen: zwanzig Grad. Ob Herbst, Winter oder Frühjahr – wenn nicht gerade ein Rohr kaputt ist oder so –, hier drin sind immer zwanzig Grad.»
«Das ist doch gut, oder?» Celia machte die Tür hinter sich zu und setzte sich auf den Stuhl gegenüber dem Schreibtisch. Die schwer lädierte Kunststoffauflage sank unter ihr zusammen.
Noreen nickte. «Der eine behilft sich so, der andere so. Bei Ms. Tompkins hängt zum Beispiel immer ein 1:1-Foto von einem Fenster an der Wand. Sie hat vier davon, für jede Jahreszeit eines, alle mit demselben Ausblick. Normalerweise wechselt sie sie zu den entsprechenden Terminen aus, aber manchmal herrscht bei ihr im Herbst noch Frühling oder im Frühling Winter. Vor ein paar Jahren, als Dick und sie kurz vor der Scheidung standen, war es noch bis weit in den April hinein Winter. Sie hat einen kleinen Spleen, aber das gilt ja für alle – Therapeuten, meine ich. Sie macht ihre Sache gut, besser als die meisten, die wir bisher hatten. Und sie arbeitet nicht nur mit Jugendlichen – an ihren freien Tagen betreibt sie auch noch eine Privatpraxis für Erwachsene.» Noreen warf ihrer Tochter einen aufmunternden Blick zu, den Celia geflissentlich übersah.
«Mommy, als wir gestern Nachmittag über Djuna geredet haben, hast du gesagt, ihr hättet nicht gewusst, was ihr tun solltet, weil ich noch so jung war.»
Celia war darauf gefasst, wie am Tag zuvor gestoppt und wieder vertröstet zu werden, doch Noreen saß einfach abwartend an ihrem Schreibtisch.
«Was hast du damit gemeint, dass ihr, Daddy und du, das Ganze für mich nicht noch schlimmer machen wolltet?» Sie begriff, warum ihre Mutter sie hierhergebeten hatte. Die fensterlosen Wände, der Teppichboden und die geschlossene Bürotür schufen eine klösterliche Atmosphäre, in der es nur diese kleine Welt gab, abgeschottet von allem anderen.
Ihre Mutter seufzte. «Nach der Sache mit Djuna bist du so still geworden. Und nicht nur, was dieses Thema betraf. Du hast vorher immer so gern geschwatzt … mit dem Postboten, mit dem Arzt, mit deinen Schmusetieren, vor dem Mittagsschlaf. Als du noch ganz klein warst, hast du dich sogar einmal lange mit einem Knopf unterhalten.»
«Das weiß ich nicht mehr», sagte Celia.
«Es war, als hätte man einen Hahn zugedreht. Wenn du nach Hause kamst, ist nicht mehr gleich aus dir herausgesprudelt, was am Tag so los war, es gab kein Geplapper mehr übers Essen, übers Fernsehen oder über die Nachbarn. Man musste dich nach allem fragen, und selbst dann kam nicht immer eine Antwort von dir. Dein Vater hat sich das nie verziehen, er meinte, wir seien mitschuldig daran, dass du dich von einem Papagei in einen stummen Schwan verwandelt hättest. Dann kamst du in der Siebten auf die Junior High, und mit einem Mal warst du in tausend Gruppen aktiv und musstest dauernd zu irgendwelchen Versammlungen. Erst habe ich befürchtet, dass du dir zu viel auflädst, aber deine schulischen Leistungen haben nicht darunter gelitten, und du hast wieder glücklich und zufrieden gewirkt. Darüber
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