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Böse Freundin (German Edition)

Böse Freundin (German Edition)

Titel: Böse Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myla Goldberg
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war ich so froh, dass ich aufgepasst habe, bloß nichts zu sagen oder zu tun, was dich wieder in dein Schneckenhaus zurückkriechen lässt. Wahrscheinlich hätten wir damals Hilfe für dich in Anspruch nehmen sollen. Aber zu der Zeit hatte ich den Eindruck, dass du es auf deine Art bewältigst. Kinder verkraften ja eine ganze Menge, und ich –»
    Celia schüttelte den Kopf. «Es geht hier nicht darum, was ihr versäumt habt.»
    «Aber als Mutter, als deine Mutter, kann ich gar nicht anders als überlegen, was ich hätte besser machen können. Das wird dir eines Tages auch so gehen, wenn du und Huck –»
    Celia setzte sich anders hin, und Noreen wedelte mit den Händen, als wollte sie eine Rauchwolke verscheuchen.
    «Was ich sagen will», berichtigte sie sich, «ist eigentlich nur: Auch wenn ich weiß, dass es zu spät ist, will ich mir gern anhören, was du zu sagen hast.»
    Celia sah ihre Mutter an und wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Vor ihrer Abreise aus Chicago, nach dem Gespräch mit Huck, hatte sie gedacht, die schwierigste Aufgabe läge hinter ihr. Doch Huck blieb im schlimmsten aller denkbaren Fälle – in dem sich die ihr Nahestehenden nicht damit abfinden konnten, was sie getan hatte – immer noch die Möglichkeit, sich jemand anderen zu suchen.
    Celia ließ sich einen Augenblick Zeit, um sich den weichen Zug um Augen und Mund ihrer Mutter einzuprägen. «Mommy», sagte sie und schaute weg. «Ich weiß nicht, wie ich das angehen soll.»
    «Schätzchen», sagte ihre Mutter. «Ach Gott, mein Schatz. Bitte entschuldige. Es ist so tapfer von dir, herzukommen und dich dem zu stellen.»
    Celia schüttelte erneut den Kopf. «Das ist es nicht.» Sie holte Luft. «Ich habe gelogen.» Sie sah ihrer Mutter in die Augen. «Ich habe gelogen, okay?»
    Noreen legte den Kopf schief, als wäre sie schwerhörig. «Herzchen, was meinst du damit?»
    «Ich meine Djuna», sagte Celia; der Name kam lauter heraus als beabsichtigt. «Und das, was wirklich passiert ist.»
    Das Zimmer war so klein und alles darin so sorgsam am Platz, dass es Celia wie ein Diorama in Schuhschachtelgröße erschien.
    «Der Mann, das Auto», sagte sie. «Djuna ist nicht … mitgenommen worden.»
    «Aber natürlich ist sie das, Schätzchen.»
    Celia schüttelte den Kopf. «Das habe ich mir ausgedacht.»
    Der Laut, der von Noreen kam, klang fast nach einem Lachen. «Nein, mein Liebes. Du hast es doch gesehen. Du und Becky und Leanne und Josie.»
    Celia schloss kurz die Augen. «Keine von uns hat irgendwas gesehen, weil es nichts zu sehen gab. Ich habe gesagt, dass da ein Auto war, und sie haben es mir geglaubt.»
    Als Celia in ihrer Anfangszeit am College auf Besuch nach Hause kam, war Jeremy einmal mit Kopfhörern und Sonnenbrille zum Abendessen erschienen; ihre Mutter hatte ihn betrachtet, als wäre er ein fremdes Kind, das zu dicht an der Straße stand und bei dem sie sich nicht sicher war, ob sie es vom Bordstein zurückzerren durfte. Genau so sah sie jetzt Celia an.
    «Das kann doch nicht sein, Liebes», sagte sie. «Du bringst da sicher etwas durcheinander.»
    Celia holte Atem. In Gedanken unzählige Male wiederholt, hatte die Geschichte Fleisch auf die Rippen bekommen. «Ich weiß nicht mehr, worüber wir gestritten haben», sagte sie. «Nur noch, dass es so wie immer war und eine von uns davongestürmt ist.» Als sie Huck davon erzählte, hatte sein Arm warm und verlässlich wie eine Schutzdecke um sie gelegen und den Worten geholfen, den Weg aus ihrem Mund zu finden. Eine solch unmittelbar wohltuende Geste hätte sie von ihrer Mutter gar nicht gewollt, doch die Einsamkeit auf dem einzeln stehenden Stuhl mit der geraden Lehne traf sie unvorbereitet. «Djuna ist in den Wald gelaufen, so schnell, als wäre es ganz einfach, aber da, wo ich ihr hinterherwollte, konnte man kaum treten. Lauter tote Zweige und überwuchertes Gebüsch. Wenn dort jemand hätte zu Fall kommen sollen, dann ich.»
    Als sie fertig war, saßen Mutter und Tochter auf ihren jeweiligen Stühlen und blickten aneinander vorbei. Auf einem Kunstkalender an der Wand hinter Noreen war einer von Monets Seerosenteichen zu sehen. Daneben hing das gleiche Werbeplakat für Cornell, das bis eine Woche vor ihrem Schulabschluss Celias Zimmer geziert hatte.
    «Du sagst also, dass Djuna sich verletzt hat», tastete Noreen sich vor. «Dass sie im Wald gestürzt ist –»
    «In ein Loch», bestätigte Celia.
    «– und dass du nie jemandem davon erzählt hast?»
    «So ist es»,

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