Böse Freundin (German Edition)
Geflecht aus verrücktspielenden Messgeräten, die Zeiger alle im roten Bereich. Josie sah von weitem zu, ein Kopf auf einem Körper voller Gucklöcher; Celia stand nur eine Armlänge von Djuna entfernt mit dem Rücken zu ihr, als wolle sie fortlaufen, doch ihr Kopf war um 180 Grad gedreht wie bei einer Eule, ihre Augen starrten Djuna an. Es war, als hätte Josie die geheimsten Winkel von Celias Gedanken durchwühlt und vor der Welt ausgebreitet. Die von ihr nachgestellte Szene war der Beweis, dass zumindest ein Mensch bereits wusste, weswegen Celia hergekommen war.
Die Website verriet nur, wie man zu der Galerie selbst Kontakt aufnehmen konnte. Auf der Suche nach einer privaten Telefonnummer oder einer E-Mail-Adresse klickte sich Celia eine halbe Stunde lang von Treffer zu Treffer, bis ihr das alte Tastentelefon ihres Bruders ins Auge fiel, das die ganze Zeit geduldig am Rand ihres Blickfelds gewartet hatte. Sie ging nach unten. Das Telefonbuch war da, wo ihre Eltern es seit jeher aufbewahrten, in dem Zeitschriftenständer unter dem Nebenanschluss, der dieser Ecke des Fernsehzimmers in der Ära vor der Erfindung schnurloser Apparate besondere Anziehungskraft verliehen hatte. Soweit Celia wusste, gab es in ihrer Chicagoer Wohnung überhaupt kein Telefonbuch, obwohl die neueste Ausgabe Jahr für Jahr auf der Vortreppe lag; allerdings zog sie im Zeitalter des Handys ungefähr so viel Aufmerksamkeit auf sich wie die Speisekarte eines weiteren chinesischen Take-out-Restaurants.
Der Eintrag für Ron und Sandy Linke fand sich zwischen Lin und Linker . Celia war nie bei Josie zu Hause gewesen, hatte aber durchs Busfenster öfter das Straßenschild an der Ecke gesehen und erinnerte sich, wie geziert Josie immer «Moooozart Street» gesagt hatte. Die Heimfahrt im Bus bot Celia und Djuna tagtäglich die beste Gelegenheit, ihre Macht voll auszuspielen; die Zweier- und Dreiersitzreihen erzwangen eine sehr viel striktere Hackordnung als jeder Tisch in der Mittagspause. Sie wählten immer eine Dreierreihe und belegten den freien Sitz mit ihren Rucksäcken, bis der Bus sich in Bewegung setzte; dann nahmen sie die Schultaschen weg und lenkten die Aufmerksamkeit auf den unbesetzten Platz. Sie ignorierten Beckys und Josies Zweisitzer, bis auf die Tage, an denen sie Becky einluden, zum Spielen mit zu Djuna zu kommen. Dann saß Becky zwischen ihnen und Josie einsam und allein jenseits des Gangs. Wenn Josies Haltestelle näher kam, schlug sie ein Buch auf und tat, als läse sie, ohne jedoch eine Seite umzuwenden. Celia erinnerte sich, wie bedächtig Josie schließlich ihre Büchertasche schulterte und mit gespieltem Interesse ihren Sitz musterte, um sicherzugehen, dass sie auch ja nichts vergessen hatte; sie hielt sich so lange damit auf, bis der Busfahrer ihr androhte, sie könne von der nächsten Haltestelle zu Fuß zurücklaufen, wenn sie nicht bald in die Gänge käme. Erst dann gab sie sich geschlagen und sah ein, dass sie nicht miteingeladen war. «Ruft an», sagte sie jedes Mal beim Aussteigen. Jedes Mal umsonst.
Mrs. Linke erinnerte sich an Celia und versicherte ihr, Josie werde sich bestimmt riesig freuen, von solch einer lieben alten Freundin zu hören. Sie, Mrs. Linke, werde sich wieder melden; Josie habe mittlerweile so viele verschiedene Telefonnummern, dass sie nie wisse, welche sie am besten weitergeben solle. Celia dankte ihr und legte mit zitternden Händen auf. Erst der leichte Südstaatenakzent hatte ihr Mrs. Linke wieder ins Gedächtnis gerufen: eine stets gutgelaunte Frau mit langen, fließenden Röcken und Blusen mit halsfernem Ausschnitt, die häufig bei Klassenausflügen dabei gewesen war und im Unterricht geholfen hatte. Ihr gleichermaßen überschwängliches Lob für Hausaufgaben in verschlungener Schrägschrift und perfekte Mathe-Übungsblätter hatte alle verwirrt, die sich gern etwas auf ihre besonderen Begabungen einbilden wollten. Die zuckersüße Stimme, die Celia am Telefon begrüßt hatte, war noch dieselbe, doch auf das bei Müttern alter Freundinnen übliche Was machst du? und Wo bist du gelandet? hatte Mrs. Linke verzichtet. Die Frau, die sich früher brennend für alles interessierte, was auch nur entfernt mit ihrer Tochter zu tun hatte, wollte nun nicht mehr über Celia wissen, als ihr schon bekannt war.
Celia machte sich daran, ihre anderen beiden Freundinnen zu suchen. Fast ihre gesamte Grundschulzeit über war Leanne lediglich eine Verpflichtung im Februar gewesen, als Empfängerin eines
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