Böse Freundin (German Edition)
zwei. Dank der Fotos, die Pam zuverlässig online stellte, war Celia auf dem Laufenden, doch tatsächlich gesehen hatte sie ihn bisher erst zweimal. Seine grenzenlose Begeisterung für Bewegung und Zusammenstöße aller Art erinnerte sie nicht speziell an Jeremy – sie kannte das Phänomen von Kindern ihrer Freunde und wusste, dass es zu kleinen Jungs dazugehörte. Was Celia an Kindern am stärksten auffiel, war die Intensität ihrer Leidenschaften: das Leben noch zu frisch für Mäßigung, der richtige Blickwinkel noch in weiter Ferne. In diesem Alter war Freundschaft beständige Gegenwart, gegründet auf Nachbarschaft und die Tatsache des wechselseitigen Vorhandenseins. Herzschmerz und Verrat waren an der Tagesordnung, wurden ein ums andere Mal aus tiefstem Herzen erlebt und erlitten und binnen Augenblicken wieder vergessen.
Celia starrte auf den Bildschirm und zwang sich, einen Anfang zu machen. Sie hatte nichts weiter als die Namen ihrer Freundinnen im Alter von elf: Rebecca Miller, Jocelyn Linke, Leanne Forrest. Noch vor weniger als zehn Jahren hätte sie, um die drei aufzuspüren, zumindest die Auskunft einer Bibliothek oder einen Heimatforscher bemühen müssen, womöglich sogar einen Privatdetektiv. Mittlerweile genügte ihr ein Internetzugang. Von den dreien hatte nur Rebecca einen Allerweltsnamen. Celia fing mit Josie an. Was einst zahllosen Films noirs Nahrung geliefert hatte, reduzierte sich nun auf das Eintippen eines Namens und das Anklicken des Suchbefehls.
Es gab nur eine. Die Treffer waren alle verwandt, hatten alle mit Kunst zu tun. Jocelyn Linke hatte ihren Namen behalten. Celia starrte auf den Monitor, fassungslos, weil es so einfach gewesen war.
Auf der Website einer Galerie standen Angaben zur Person. Geburtsdatum und -ort waren alles, was Celia als Bestätigung brauchte, und die einzigen Informationen, die ihr schon vorher bekannt gewesen waren. Nach dem College in Wisconsin hatte Josie am Art Institute in Chicago studiert. Im selben Jahr, in dem Celia ihre Stelle am Rechnungshof antrat, hatte Josie sieben Querstraßen weiter ihr Magisterexamen in Kunst abgelegt. Sie waren womöglich mit derselben U-Bahn gefahren, hatten mittags das Gleiche gegessen. Damals, als sie noch mehr mit Josie zu tun gehabt hatte, waren sie alle künstlerisch angehaucht gewesen, hatten am laufenden Band Bilder und Geschichten, wacklige Tiere aus Ton und geflochtene Freundschaftsbändchen produziert. Josies Menschen hatten wie Menschen ausgesehen und ihre Bäume wie Bäume, aber nicht mehr oder weniger als die der anderen. Jetzt war sie eine Künstlerin, für die Celia keine Bezeichnung wusste, eine von der Art, die in allen Bereichen tätig war. Daumennagelgroße Abbildungen von Josies Gemälden, Skulpturen und Installationen säumten den unteren Bildschirmrand und füllten als fortlaufende Diashow den oberen Teil. Alle Bilder zeigten Frauen und Mädchen in verschiedenen Konstellationen, doch drei von ihnen fuhren Celia ins Mark. Sie hatte erwartet, dass die Suche Tage dauern würde – eine mentale Reise, während deren sie sich in aller Ruhe auf das Zusammentreffen mit den Menschen vorbereiten konnte, die sie in ihrer Erinnerung beiseitegeschoben hatte. Doch nun sah sie dort, als wären sie in Überschallgeschwindigkeit angeliefert worden, Josies Brille mit ihrem Monogramm, Beckys eng zusammenstehende Augen und Leannes breite Stirn: Details, die Celia ausgeblendet hatte und die ihr doch so vertraut waren wie ihr eigener Geruch. Bekannte Gesichter auf phantastischen Körpern, aus denen Glocken, Schuppen und Dornen sprossen. Das erste Bild zeigte sie fünf auf ihrem Marsch, mit Entenfüßen, die unterhalb der Knie ansetzten. Celia und Djuna liefen Kopf an Kopf vorneweg, Celia mit der guten Haltung, die sie einst verachtet, sich mittlerweile aber zu eigen gemacht hatte. Leanne, flankiert von Josie und Becky, hielt die Hände über Kreuz, als klatschte sie im Laufen zu Backe, backe Kuchen . Alle außer ihr, die ganz in ihr Spiel versunken schien, lächelten.
Auf dem zweiten Bild standen Celia und Djuna wie angewurzelt da, offenbar im Streit. Ihre Körper waren zu stachligen Pflanzen mutiert und neigten sich zueinander, als würden sie von wechselnden Winden gebeugt. Celia spürte ihre höhnische Grimasse wieder in den Gesichtsmuskeln, erinnerte sich, wie ihr Kiefer danach geschmerzt hatte.
Das letzte Bild konnte sie nur wenige Augenblicke lang ertragen. Djuna saß mit abgewandtem Gesicht da, ihr Körper ein
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