Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Böse Freundin (German Edition)

Böse Freundin (German Edition)

Titel: Böse Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myla Goldberg
Vom Netzwerk:
die Welt kam – hat sich um die Wäsche gekümmert und immer gekocht. Da ist mir erst aufgegangen, wie wenig ich deiner Mutter abgenommen habe, als ihr zwei geboren wurdet.» Er ließ das gleiche halb zerknirschte, halb selbstbewusste Lächeln aufblitzen, mit dem er für vergessene Besorgungen und Strafzettel wegen Geschwindigkeitsübertretungen um Verzeihung bat.
    «Es ist unheimlich lieb von ihnen», sagte Celia, «dass sie am Samstag die ganze Strecke bis hierher fahren wollen, vor allem, wo Pam wieder schwanger ist.» Ihr Bruder lebte eine Autostunde Richtung Nordwesten an der Route 79 in einem Haus, das neuer und hässlicher war als das ihrer Eltern: ein bescheidener einstöckiger Bau mit Spitzdach und Kunststoffverkleidung etwas abseits der Straße. Für dasselbe Geld hätte er etwas Älteres und Hübscheres in der Stadt haben können, aber Jeremy wollte aufs Land. Die dichte Baumreihe rings um das Grundstück verstellte den Ausblick auf die außer Rufweite gelegenen Nachbarhäuser. Dass ihr Bruder sich dort so wohl fühlte, war nur der jüngste von vielen Beweisen für die seit jeher bestehenden Unterschiede zwischen ihnen beiden.
    «Nun ja, so ist er eben», sagte Warren. «Ich schlafe besser, seit ich ihn in der Nähe weiß. Ich hätte nie gedacht, dass ein Landmensch in ihm steckt, aber andererseits bin ich auch davon ausgegangen, dass Chicago für dich nur eine Phase sein würde – da habe ich offenbar gleich zwei Mal danebengehauen.» Er zuckte mit den Schultern. «Je älter ich werde, desto weniger macht es mir aus, wenn ich falschliege. Es lebt sich sehr viel entspannter, sobald man sich eingesteht, dass man von Tuten und Blasen keine Ahnung hat.»
    «Daddy, was hast du von Djuna noch in Erinnerung?», fragte Celia.
    Ihr Vater zog sich in sich selbst zurück wie eine verschreckte Schnecke; mit verschlossener Miene wandte er sich ab und machte sich an dem Auflauf und der Mikrowelle zu schaffen. In Anbetracht der Tatsache, dass Warren streng katholisch und mit lauter Brüdern aufgewachsen war, hatte er sich als Vater eines erstgeborenen Mädchens wacker geschlagen – und sich nicht einmal in den furchtbaren Monaten rund um Jeremys Entzug mit der gleichen Vehemenz um seinen Sohn gesorgt. Ein Besuch in Jensenville war erst dann abgeschlossen, wenn er sich telefonisch vergewissert hatte, dass Celia heil und gesund in Chicago angekommen war. Ihr Auszug hatte ihrem Vater das zweite Magengeschwür beschert – die Reaktion seines Körpers auf die Erkenntnis, seiner Tochter nun nicht mehr jederzeit zu Hilfe eilen zu können. Celia erfuhr erst nach seiner Entlassung, dass er Blut gespuckt und sich daraufhin ins Krankenhaus begeben hatte. Ihren Bemühungen, seinen Ängsten auf den Grund zu gehen, begegnete er mit gleichermaßen eiserner Verschwiegenheit.
    «Djuna war ein richtiges Rabenaas», erwiderte er. «Sie hat mich einmal gefragt, warum ich keine Dienstreisen mache. Du würdest mich lieber mögen, wenn ich weg wäre und dann wiederkäme.» Er schüttelte den Kopf. «Starrsinnig, das war sie. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie nicht mehr aufzuhalten.»
    Er hob das Kinn und räusperte sich; was immer jetzt von ihm kommen mochte, hatte er eingeübt, dachte Celia, vielleicht sogar vorab schriftlich festgehalten. «Du und ich, Cee Cee, wir sind Zahlenmenschen. Dein Bruder ebenfalls.» Er betrachtete Celia forschend, fand in ihrer Miene aber offenbar nicht das, wonach er suchte. «Zum Kuckuck noch mal, ein Hauptgrund, warum ich so ungern an Pensionierung denke, ist doch, dass die Arbeit für mich zu den wenigen Bereichen zählt, in denen ich es nicht mit Ungereimtheiten zu tun habe. Klar, es gibt immer noch Sudoku, aber das ist ja nicht dasselbe, oder?» Er runzelte die Stirn. «Menschen wie wir haben ihr Leben gern geordnet», erklärte er. «Wir möchten wissen, worauf Verlass ist und worauf man pfeifen kann. Und wenn man dann etwas zu hören bekommt, was nahezu alles über den Haufen wirft, was man bisher über ein bestimmtes Thema oder einen bestimmten Menschen gedacht hat –»
    Er hörte die Haustür und rief «Norrie?», als wolle er im nächsten Moment in Jubelgesänge ausbrechen.
    Beim Anblick von Celias Mutter, die auf der Schwelle zur Küche stand, glätteten sich alle Sorgenfalten in seinem Gesicht. Eine andere Ampelschaltung oder ein Stau auf der Main Street, und Celia hätte ein weiteres Mal die Ansichten ihrer Mutter über sich ergehen lassen müssen, gewandet in die

Weitere Kostenlose Bücher