Böse Freundin (German Edition)
Telefon.»
Zum Glück konnte Becky Celias fassungslosen Blick nicht sehen.
«Celia? Bist du noch dran?»
«Ja. ’tschuldige, Becky. Rivka.»
«Du kannst ruhig Becky sagen. Rivka, Rebecca. Es ist der gleiche Name.»
«Becky.»
Sieben. In Gedanken sah Celia Die Waltons vor sich, Olivia Walton mit einer Zigarette zwischen den Fingern. «Ähm, es ist sicher komisch für dich, auf die Art wieder von mir zu hören, aber ich wollte dich fragen, ob wir uns vielleicht treffen könnten.»
Es entstand eine Pause, in der sich Celia für ihren Übereifer verfluchte; halb war sie schon auf ein Klicken und anschließendes Schweigen gefasst.
«Ist das so ein Ehemaligending?», fragte Becky. «Ich bin nicht so der Typ für Klassentreffen.»
«Nein, ist es nicht. Ich … ich hab bloß zufällig in Scranton zu tun» – Celia hatte sich schon zu sehr vergaloppiert, um noch mal von vorne anzufangen –, «und ich fände es super … Besteht vielleicht irgendwie die Möglichkeit, dass wir uns zum Mittagessen treffen?»
«Du kommst nach Scranton?» Beckys Lachen klang völlig unverändert, wie das eines Kindes, das einen leise stotternden Motor nachahmt. Celias freie Hand hob sich reflexartig zum Gruß, als hätte sie ihre Freundin soeben am anderen Ende des Raums entdeckt.
« Baschért ist baschért : Das muss eine Fügung des Schicksals sein. Natürlich können wir uns treffen», sagte Becky. «Zwischen elf und halb zwei passt es mir jederzeit.»
Celia sah auf die Uhr. Wenn sie sofort aufbrach, konnte sie bis zwölf dort sein.
«Ab Viertel nach zwölf kannst du über mich verfügen.»
«Dann treffen wir uns doch um eins bei Blum’s . Kennst du die Ecke?»
«Nein.»
«Ich sag dir, wie du hinkommst.»
Celia erinnerte sich flüchtig an eine jüngere, aber ebenso präzise Stimme, die in einem Wohnzimmer mit grünem Zottelteppich bei ihren Rollenspielen die Regieanweisungen gegeben hatte. Neben dem grauen Velourssessel hatte auf Zahnstocherbeinen ein Beistelltisch mit einem Teller Möhren und Scheiblettenkäse gestanden, den sie beide zwischen den Aufführungen plünderten.
Ihr blieb eben genug Zeit zum Duschen und Anziehen. Während sie sich fertigmachte, fühlte sie sich wie in Schockstarre angesichts des bevorstehenden Treffens. Doch mit jeder noch so kleinen Verzögerung lief sie Gefahr, Becky nicht Gestalt annehmen zu sehen. Als sie das Haus verließ, hallten ihre Schritte auf dem Gartenweg; die Straße war so leer wie ihr Hirn, das Viertel wie ausgestorben. Celia und Jeremy hatten immer nur mit Noreens Auto fahren dürfen. Das von Warren blieb selbst seiner Frau verwehrt, ihr einziges nicht geteiltes Hab und Gut. In Celias drittem Jahr am College hatte Jeremy den japanischen Kompaktwagen zu Schrott gefahren, mit dem Celia den Führerschein gemacht hatte. Wegen seiner Farbe – das Gelb einer reifen Banane – hieß er bei ihr immer nur das Affenmobil. Der Verlust jenes Autos, ihr bislang einziges mit Gangschaltung, hatte ihr mehr zugesetzt als der Tod der Familienkatze. Mit keiner der behäbigen Limousinen, die Noreen danach gefahren war, hatte sie sich anfreunden können, sie tastete unbewusst immer noch mit dem Fuß nach einer nicht vorhandenen Kupplung.
Jensenville gehörte zu dem schmalen Landstrich, der die Interstate 81 vom Chenango trennte. Scranton lag direkt südlich davon. Celia verband die Schnellstrecke mit den Feuerwerkskörpern, die man jenseits der Bundesstaatengrenze kaufen konnte, sie erinnerte sich an Highschoolpartys mit Flaschenraketen und Goldregen, die sie in Great Bend erstanden und siebzehn Meilen zurück nach Norden geschmuggelt hatten. Dass die Benzinanzeige gegen null tendierte, ignorierte sie zunächst, um endlich loszukommen. Bei der ersten Tankstelle in Pennsylvania kam ihr der Gedanke, Richtung Osten zu einem der seltsam klingenden Orte an den bewaldeten Flussbiegungen zu fahren. Sie überlegte kurz, wie es wäre, Huck von Cahoonzie oder Equinunk aus anzurufen und zu fragen, ob er nicht Lust hätte, an einem Ort neu anzufangen, mit dem sie beide keine Geschichte verband.
Die dreiundfünfzig Meilen von Ausfahrt 230 bis Ausfahrt 191 legte sie zurück, ohne ein einziges Mal an das Autoradio zu denken, begleitet nur vom dumpfen Dröhnen ihrer eigenen Gedanken. Blum’s Dairy Restaurant befand sich in einer Geschäftsstraße am Nordrand von Scranton, eingezwängt zwischen einem Laden für Umstandsmode und einer Bäckerei mit Beschriftungen in Englisch und Ivrit. Dank
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