Böse Freundin (German Edition)
Stimme ihres Vaters.
«Hallo, ihr zwei», sagte Noreen, als sei sie soeben auf einer Dinnerparty eingetroffen. «Sieht ganz so aus, als hätte ich eine Wette gegen mich selbst verloren. Ich war mir sicher, dass ihr was vom Chinesen bestellen würdet.» Sie lachte verhalten in Celias Richtung.
«Du kommst gerade recht», sagte Warren. «Wir sind mitten beim Auftauen.»
«Ach, wisst ihr», zwitscherte sie, «ich will eigentlich gleich ins Bett. Ich hab mich fünf Stunden mit einem Berg Schülerbeurteilungen herumgeschlagen und bin einfach hundemüde.»
«Soll ich dir was hochbringen?», fragte Warren.
«Nein danke», sagte sie. «Ich habe auf dem Heimweg schon eine Kleinigkeit gegessen.»
«Ich komme bald nach», sagte er.
Sie zuckte mit den Achseln. «Ganz wie du magst, Liebes. Ich schlafe bestimmt bald tief und fest.» Es war halb acht.
«Mommy?»
Ihre Mutter war schon halb durch den Flur. «Ja?»
«Gute Nacht», sagte Celia; das Wort hing zwischen ihnen wie ein schlaffes Segel.
«Gute Nacht, Celia.» Kurz schien es, als würde irgendwer noch etwas sagen wollen, aber dann blieb es dabei.
[zur Inhaltsübersicht]
8. Kapitel
Er erwartete Celia am folgenden Morgen, der halb vertraute Name, schwarz auf weiß, in ihrem Posteingang:
Von: Lee Forrest
An: Celia Durst
Betreff: AW:
Celia – natürlich erinnere ich mich an dich. Vor ein paar Jahren hätte ich eine E-Mail von dir vermutlich mitsamt dem Porno-Spam gelöscht. Und sosehr ich auch davon überzeugt bin, dass jeder eine zweite Chance verdient – wenn ein Umschlag mit deiner Handschrift auf dem normalen Postweg zu mir gekommen wäre, hätte das Ding es unter Garantie nicht bis in meine Wohnung geschafft.
Ich bin auf die Website von dieser Personensuchmaschine gegangen und hab ein paar Namen eingetippt, an die ich schon länger nicht mehr gedacht hatte. Und siehe, sie waren alle da, was lediglich beweist, dass es, wenn man heutzutage keinen Kontakt zu jemandem hat, nicht daran liegt, dass derjenige nicht zu finden ist. Allerdings überrascht es mich nicht, dass du Becky nicht aufspüren konntest. Sie heißt seit ungefähr fünfzehn Jahren nicht mehr Rebecca Miller, sondern Rivka Rosentraub. Es hat sich viel getan, seit sie und ich zuletzt voneinander gehört haben, aber ich habe eine alte Nummer von ihr in Scranton, die sicher noch stimmt: (570) 121–0172. Wenn du sie erwischst, grüß sie von mir.
Ich werde mich nicht telefonisch bei dir melden, wie du vorgeschlagen hast, und ich will auch nicht, dass du mich anrufst. Mehr als E-Mails sind für dich nicht drin, also mach das Beste draus.
Lee
Ihre Nachricht ins Leere zu schicken hatte für Celia eher etwas von einer Séance als von einer Anfrage gehabt; die Tastenanschläge erschienen ihr wie Klopfzeichen, mit denen sie eine lange verlorene Stimme aus dem Äther heraufbeschwor. Als ihr Puls wieder ruhig ging und ihr Griff um den Stuhl sich gelockert hatte, las sie Leannes Worte wieder und wieder, suchte einen Nachklang des Mädchens, das sich an ihr Grüppchen geheftet hatte wie ein spätnachmittäglicher Schatten. Leanne war anders gekleidet gewesen als sie und hatte auch bei den Zensuren nicht mithalten können. Eines Tages hatten sie sie, schon mit der Gabel in der Hand, an ihrem üblichen Mittagstisch in der Schulkantine vorgefunden. Am zweiten Tag kam sie mit einem vierblättrigen Kleeblatt an, das sie in Tesafilm eingeschweißt hatte, und am dritten mit einer vermutlich wertvollen alten Kleinmünze. Djuna hatte beide Gaben entgegengenommen, als stünden sie ihr zu, und am vierten Tag schenkte Leanne jeder von ihnen einen perfekt glatt geschliffenen Trommelstein.
«Kann ich mitmachen?», fragte sie.
«Bei was?», fragte Djuna für sie beide zurück.
«Bei eurem Club.»
Das Wort überraschte Celia, doch Djuna verdrehte scheinbar gelangweilt die Augen. «Nenn mir einen Grund, warum wir dich mitmachen lassen sollen», forderte sie, als hätte Leanne den Club nicht soeben erst ins Leben gerufen.
Leanne zuckte mit den Schultern und sah weg. «Weil ihr meine Sachen angenommen habt?»
«Na und?» Djuna wies mit einer allumfassenden Geste auf Leannes strähniges Haar, ihre Bluse mit dem angeknöpften, ausgefransten Kragen, die Cordhose, die an den Knien abgeschabt war und kein gerades, sondern ein ausgestelltes Bein hatte. «Du bist nicht wie wir.»
«Könnt ihr es mir nicht beibringen?» Leannes Stimme war nur noch ein Stimmchen.
Damit waren sie nicht länger zwei Mädchen, die
Weitere Kostenlose Bücher