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Böse Freundin (German Edition)

Böse Freundin (German Edition)

Titel: Böse Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myla Goldberg
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gelegentlich den Nachtisch aus ihren Lunchboxen tauschten und in der Pause lässig nebeneinander auf dem Barren thronten. Leannes Begehren zwang sie zu bestimmen, was sie begehrenswert machte. In der einen Woche trugen sie farbige Schnürsenkel, in der nächsten mussten es weiße sein. Jeden Tag machten sie aufs Neue deutlich, welche hohen Ansprüche sie stellten und wie cool sie waren. Wenn Leanne am häufigsten auf die Probe gestellt wurde, dann nur darum, weil sie so ungeheuer willig war. An Leanne sahen sie, wie weit sie gehen konnten.
    Celia las die E-Mail noch einmal und rief sich Leannes ernstes Gesicht ins Gedächtnis. Bei Beckys Namen hielt sie inne. In ihrer Vorstellung war Djunas Verschwinden eine Explosion gewesen, die alles auseinanderstieben ließ. Dass Leanne mit irgendjemandem Kontakt gehalten hatte, war schon verblüffend genug, aber eine Freundschaft mit Becky erschien so unwahrscheinlich wie die Telefonnummer in Scranton. Celia war an gute Noten gewöhnt gewesen, Becky hingegen hatte stets Spitzenergebnisse erwartet; ein Ausrutscher in Form einer Zwei hatte sie in Tränen ausbrechen lassen. Celias Empfinden nach hätte Becky Miller in eine Stadt mit einer unverkennbaren Skyline und einem internationalen Flughafen gehört. Wenn Leannes Information stimmte, war Becky nur eine Stunde entfernt. Zwei ihrer ehemaligen Opfer in so unmittelbarer Reichweite – die Aussicht machte sie schwindlig. Sie beantwortete Leannes E-Mail, damit Becky genug Zeit blieb, um zur Arbeit zu fahren. Ihre Nummer wollte Celia lieber erst dann wählen, wenn sie mit einiger Sicherheit einen Anrufbeantworter erwischte. Sie wollte ihr überraschendes Auftauchen abfedern, um ihre alte Freundin nicht zu verschrecken. Beim dritten Klingeln meldete sich eine Frauenstimme.
    «Shalom?»
    «Hi, äh, ich glaube, ich habe mich verwählt.» Celia dachte daran, wie oft sie schon in Chicago ans Telefon gegangen und mit einer Sturzflut in Spanisch überschwemmt worden war. «Ich suche nach Rivka Rosentraub.» Sie begann die Nummer auszustreichen, die sie aufgeschrieben hatte.
    «Am Apparat.»
    Celia ließ den Stift fallen. «Oh! Entschuldigung, ist da Becky? Ich meine, bist du – warst du – Rebecca Miller?»
    Schweigen.
    «Wer spricht da?»
    «Celia Durst. Ich kenne Becky von früher.»
    Sie kannten sich seit Beginn der Grundschule; Becky hatte die Vorschule übersprungen und kam in Celias Klasse, aber sie hatten sich nicht sofort angefreundet. Becky suchte sich ihre Freundinnen selbst aus, so wohlüberlegt, wie sie ihre Hosen umschlug und sich den Scheitel zog. Sie hatte sich Celia erst in der dritten Klasse genähert.
    «Celia? Bist das wirklich du?»
    Celia hörte Schritte am anderen Ende der Leitung. Die Musik, die sie eben noch vernommen hatte, verstummte. Sie erinnerte sich an einen Nachmittag bei Becky zu Hause im Wohnzimmer, an dem sie zu den halbwegs tanzbaren Nummern von Free to Be You and Me herumgetobt hatten.
    «Ist da Becky Miller?», fragte sie noch einmal.
    «Ja, natürlich! Hallo, Celia! Entschuldige, wenn ich ein bisschen durcheinander klinge. Das kommt etwas unerwartet.»
    «Tut mir leid», sagte Celia. «Ich habe deine Nummer von Leanne.»
    Schweigen, dann scharfes Luftholen und langsames Ausatmen.
    «Wirklich?» Sie schien in sich hineinzulachen. « Jischar koach  – gratuliere. Wie geht es ihr? Wie geht es Leanne?» Ihre Stimme klang sachlich, gut geeignet für Wegbeschreibungen und das Überbringen schlechter Nachrichten.
    «Gut!», sagte Celia munter. «Wobei wir nicht direkt miteinander geredet haben. Ich habe sie online gefunden. Sie war so freundlich, mir deine Nummer zu geben.»
    «Du hast speziell nach mir gesucht?»
    «Nein», sagte Celia. «Ich suche nach uns allen. Ich meine –»
    «Ich weiß, was du meinst.»
    Wieder ein Ausatmen. Offenbar rauchte sie eine Zigarette. «Wie ist es dir ergangen, Celia? Wie lange ist das jetzt her – zwanzig Jahre?»
    Celia fragte sich, ob das Rasseln in der Stimme von den Zigaretten herrührte. Sie konnte keinen Bezug zwischen diesem Geräusch und ihrem hoffnungslos veralteten Bild von Becky herstellen.
    «Stimmt», sagte sie. «Ich lebe jetzt in Chicago.»
    «So weit weg. Bist du verheiratet?»
    «Nein.»
    «Also keine Kinder.» Es war keine Frage. «Ich habe sieben. Chaya, meine Älteste, ist letzten Sommer elf geworden. Sie in dem Alter zu erleben hat mich an manches erinnert, woran ich lange nicht mehr gedacht habe. Und jetzt hab ich dich auf einmal am

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