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Böse Freundin (German Edition)

Böse Freundin (German Edition)

Titel: Böse Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myla Goldberg
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Sinnvolles gefunden zu haben. Dort habe ich Shimon getroffen, und der Rest ist, wie man so sagt, Geschichte.» Sie hob die Schultern. «Klingt verrückter, als es ist. Wie alt waren wir damals, als wir öfter miteinander gespielt haben? Zehn? Elf?»
    Celia nickte.
    «Ich war zu der Zeit so unfassbar ängstlich. Vor einem Diktat konnte ich die ganze Nacht nicht schlafen. Wenn ich Spitzennoten nach Hause brachte, haben meine Eltern sich weniger gestritten, so kam es mir jedenfalls vor.» Sie warf Celia einen Blick zu. «Du bist wirklich leicht zu schockieren. Ist vielleicht ganz gut, dass du mich erst jetzt wiedersiehst, nachdem ich eine altmodische jüdische Hausfrau geworden bin.» Becky lächelte – ihr Gesicht war eine Landkarte voll glücklicher Linien. «Hey, weißt du noch, wie wir Archäologen sein wollten und in eurem Garten nach prähistorischen Knochen gegraben haben? Wir haben unter einem Busch eine Tellerscherbe gefunden und waren fest überzeugt, dass sie aus der Kolonialzeit stammt. Du hast gesagt, ich dürfte sie haben, wenn ich dafür deine beste Freundin sein würde.»
    Celia nickte unsicher.
    Becky seufzte. «Die Scherbe habe ich eine halbe Ewigkeit aufgehoben.»
    Celia hätte gerne gefragt, ob die Perücke juckte, ob Becky je ihre Knie sehen lassen durfte, ob sie sich noch an die Lehrerin in der dritten Klasse erinnerte, die der Meinung gewesen war, Becky könnte die erste Präsidentin des Landes werden.
    «Und …», sagte sie stattdessen. «Dein Mann heißt also Shimon?»
    Becky nickte. «Er unterrichtet an der Jeschiwa. Und er schreibt Gedichte. Sie sind nicht so gut wie deine» – sie lächelte –, «aber auch nicht schlecht. Schreibst du noch?»
    Celia zuckte mit den Schultern. «Eigentlich nicht. Im College schon noch, aber dann –»
    «Celia», sagte Becky tadelnd. «Du hättest bei Wettbewerben mitmachen können.»
    Celia lachte. «So ernsthaft habe ich es nie betrieben.»
    Becky schüttelte den Kopf. «O doch! Wir waren alle von dir überzeugt. Mrs. Hogue hat deine Gedichte immer an die Infotafel gehängt. Mein Pult stand direkt daneben, und ich hab sie wieder und wieder gelesen.» Sie sah auf Celias Hände. «Eine von diversen Überraschungen, würde ich sagen. Ich hätte gedacht, du bist verheiratet.»
    Celia erinnerte sich, Becky immer dafür bewundert zu haben, dass sie urinieren sagte statt Pipi machen und die Lehrerin darauf hinwies, wenn sie Essensreste zwischen den Zähnen hatte. Erst jetzt ging ihr auf, wieso sie sich zu geradlinigen Menschen hingezogen fühlte. Was Huck für sie begehrenswert machte, beruhte zum Teil auf einem Keim, der in der dritten Klasse gesät worden war.
    «Ich habe einen Freund», sagte sie. «Wir leben zusammen in Chicago. Er ist Lehrer an einer Highschool –»
    «Genau wie Shimon!»
    Celia nickte. «Und ich arbeite für die Stadt.»
    «Und kommst auf Besuch zurück nach Jensenville.» Beckys Blick ging ins Leere. «Richte deiner Mutter einen schönen Gruß aus. Sie war immer so nett zu mir. Und jetzt erzähl mir von Leanne. Das letzte Mal, als wir voneinander gehört haben, ging es ihr nicht so besonders. Hat sie sich wieder berappelt?»
    «Keine Ahnung», sagte Celia. «Ich habe nur die eine E-Mail von ihr.»
    «Das würde ich mal als vielversprechendes Zeichen auffassen», sagte Becky. «Ich weiß nicht so recht, ob wir gut für einander waren, aber ganz sicher waren wir gut zu einander. Absolut loyal – wie wichtig das ist, die Lektion hatten wir gelernt.» Becky schüttelte den Kopf. «Sag ihr doch bitte, dass die Nummer noch stimmt, die sie von mir hat. Sie kann mich jederzeit anrufen.» Der Kellner brachte eine Platte mit dunkelrosafarbenen Fischstücken. «Okay», erklärte Becky. «Und jetzt sag mir, warum wir hier sind.»
    Zum dritten Mal seit Beckys Eintreffen mühte sich Celia, ihre Überraschung zu verbergen.
    «Nicht dass ich mich nicht freue, dich wiederzusehen», sagte Becky. «Ich hätte dich ja schließlich auch abwimmeln können. Aber ich bin neugierig. Es hat sich nicht so angehört, als riefest du nur aus einer Laune heraus an. Und was sollst du hier schon groß zu erledigen haben – in Scranton? Also nun sag, was kann ich für dich tun?»
    Celia wurde blass. «Entschuldige. Es ist bloß – ich hatte die Befürchtung, ich würde dich verschrecken, wenn ich dich am Telefon damit überfalle.» Sie betrachtete die Platte mit dem Essen, die Suppe in ihrer Schüssel, das Gesicht der Person, der sie einst geschworen hatte,

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