Böse Freundin (German Edition)
Celias Suppenschale. «Tut mir leid, habe ich dich warten lassen?»
«Gar nicht. Ich war zu früh dran.»
«Ging alles glatt? Bist du aus Jensenville gekommen?»
Celia nickte. «Meine Eltern wohnen immer noch da.»
«Wie schön! Siehst du sie oft?»
«Eigentlich nicht. Ich bin ziemlich eingespannt.»
Als der Kellner kam, bestellte Becky für sie beide. «Ich nehme mal an, das ist eine neue kulturelle Erfahrung für dich, da nehme ich dich vielleicht lieber ein bisschen an die Hand. Das Blum’s bezieht seinen Lachs von Zabar aus New York, und Zabar ist das Nonplusultra für koscheres Essen. Hast du schon mal Räucherlachs probiert?»
«Klar», sagte Celia. «Absolut köstlich.»
«Es ist sicher schön», fuhr Becky fort, «wieder herzukommen. Nach Jensenville, meine ich. In die alte Heimat. Ich bin schon wer weiß wie lange nicht mehr dort gewesen.» Ihre Augen leuchteten auf. «Du hast nicht zufällig in meiner alten Straße vorbeigeschaut, oder?»
Celia schüttelte den Kopf.
«Ich wüsste zu gern, ob unser Baum noch steht», sagte Becky. «Der, auf dem wir immer Spion gespielt haben.»
Friedrich Street. Becky hatte in der Friedrich Street gewohnt. «Der stand an der Ecke!», sagte Celia. «Vor dem Haus von dem alten Mann.»
«Mr. Luff», sagte Becky. «Der konnte uns auf den Tod nicht ausstehen.»
Celia fletschte die Zähne. «Runter von meinem Baum!», knurrte sie. «Und dann hast du ihm immer erklärt, dass das nicht sein Baum ist, sondern dass die ersten eineinhalb Meter der Rasenfläche der Gemeinde gehören.»
«Öffentliches Wegerecht», bestätigte Becky.
«Woher wusstest du das eigentlich?»
Becky zuckte mit den Schultern. «Damals war mein Hirn der reinste Schwamm. Ich bin mir nicht sicher, ob das Wegerecht auch bei Baumbesteigungen gilt, aber es hat mir einen Heidenspaß gemacht, das vor Mr. Luff zu behaupten.»
«Ich fand den Baum so toll», sagte Celia. «Den Baum und dein Zimmer.»
«Ich auch, Celia.» Becky seufzte. «Die Wand mit dem Regenbogen. Den hat meine Mom gemalt. Als wir umgezogen sind, war ich schon zu alt, um mir noch mal so einen zu wünschen.»
Beckys Lächeln war die gleiche seltsame Mischung wie eh und je, fröhlich und zerstreut zugleich, als hätte ihr Hirn den Befehl an den Mund weitergeleitet und wäre im selben Moment zu dringenderen Geschäften abberufen worden. Nach all den Jahren erschien Becky Celia immer noch als einer der gescheitesten Menschen, die sie sich überhaupt vorstellen konnte.
«Und», sagte Celia, «wie lange bist du –» Sie suchte nach dem richtigen Wort.
«– schon religiös?», soufflierte Becky.
Celia nippte an ihrem Wasser und stupste den Matzenknödel mit dem Löffel in die Mitte der Schüssel. «Eigentlich», sagte sie zögernd, «wollte ich fragen, wie lange du schon in Scranton bist.»
«Das heißt, du möchtest höflich sein», sagte Becky. «Was nett ist, aber völlig unnötig. Es wird nur dieses eine Treffen heute geben, also fragen wir lieber haargenau das, was wir wissen wollen.»
Celia nickte. Da war sie wieder – die Direktheit, die demonstrative Vorliebe für offene Worte. Sie erinnerte sich an ihren ersten Besuch bei Becky zu Hause, irgendwann in der dritten Klasse, bei dem Becky sie gleich überall herumgeführt hatte, selbstbewusst erst auf ihr ungemachtes Bett («Das ist mein Zimmer, außer mir muss sich das niemand ansehen») und dann auf das Penthouse -Magazin zeigte, das unter Mr. Millers Bettseite lag («Ziemlich eindeutig, oder?»). Becky wurde ihr langsam wieder vertraut, aus der Hülle der Matrone schälte sich das Mädchen von früher.
«Ich habe kurz vor dem Ende der Highschool zu Chabad gefunden», sagte Becky. «Alle haben Pläne fürs College geschmiedet, nur ich und Leanne nicht – jetzt schau nicht so verdutzt.»
«Tu ich doch gar nicht.»
«Doch, tust du.»
«Du warst immer so gut in der Schule.»
«Da schon nicht mehr», sagte Becky. «Als Leanne und ich sechzehn waren … sagen wir einfach, wir hatten viele gemeinsame Interessen. Leanne hatte ein Auto, ich wollte weg, und wir haben uns beide gern mit irgendwelchen Collegetypen verdrückt, die Stoff für uns hatten.» Sie schüttelte den Kopf. «Egal, jedenfalls stand ich kurz vor einer glänzenden Karriere im Jugendstrafvollzug, aber da habe ich dann einen jüdischen Studenten kennengelernt, der öfter in das Chabad-Haus auf dem Campus ging. Irgendwann bin ich mitgegangen und hatte das Gefühl, nach Urzeiten endlich wieder etwas
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