Böse Freundin (German Edition)
ausfüllst.»
Sie trat näher, bis ihre Schultern im Spiegel von einer Seite zur anderen reichten.
«Okay», sagte sie.
«Siehst du das Muttermal?»
«Welches Muttermal?»
«Haben wir da noch nie drüber geredet?»
Es war ungewohnt, das Wollgewebe an ihren Schulterblättern und Brustwarzen zu spüren.
«Ich glaube nicht», sagte sie.
«Das rote Muttermal oben an deiner linken Brust, genau über dem Dekolleté, das aussieht, als wollte es jeden Moment hineinspringen. Vollkommen rund, so groß wie eine Zuckerperle.»
Sie ging noch näher heran, beugte den Kopf vor.
«Oh», sagte sie.
«Du siehst es gerade noch, am linken Rand vom V-Ausschnitt, stimmt’s?»
«Woher weißt du das?»
«Gelernt ist gelernt. Also, hör zu: Ich will, dass du den Pullover anbehältst.»
«Okay.»
«Du sollst ihn die ganze Zeit anbehalten. Und denk nicht, du könntest mich austricksen. Ich merke es, wenn du schummelst.»
«Ja», sagte sie; zwischen ihren Brüsten breitete sich Wärme aus.
«Jetzt geh zurück zum Bett», sagte er. «Zieh die Hose und den Schlüpfer aus. Ich will dich nackt von der Taille abwärts, auf dem Rücken, Knie angezogen, Beine weit gespreizt.»
Sie überprüfte ein letztes Mal die Gästezimmertür und dichtete den Spalt am Boden mit einer Decke ab. Dann legte sie sich aufs Bett und tat genau das, was Huck ihr sagte.
[zur Inhaltsübersicht]
12. Kapitel
Sie war wieder ein Mädchen, im Wald, hörte weit entfernt Autos auf der Straße vorbeirauschen, die die Stille ringsum zerschnitten. Sie wandte sich ab, weg von der Straße, bahnte sich erneut einen Weg durch die Bäume, querte den Wald, die Äste schwarz und schräg am Himmel. Schließlich stand Celia vor einem dunklen Loch im Boden und schreckte aus dem Schlaf hoch, hämmernde Furcht und Sehnsucht in der Brust. Eine Freundschaft wie die zwischen ihr und Djuna konnte nur von einem Kind so vollständig Besitz ergreifen. Nur ein Kind konnte ihrem Würgegriff standhalten.
Sie zog sich an und war mit dem Wagen schon halb aus der Zufahrt heraus, als ihr bewusst wurde, dass sie die Ripley Road lediglich vom Blick aus Schulbusfenstern kannte. Durch die Windschutzscheibe gewahrte man ein löchriges, von Bäumen gesäumtes Asphaltband ohne Mittellinie, die bergab rasende Fahrzeuge in der Spur hielt. Von den Fensterplätzen aus sah man zwischen Bäumen immer wieder Häuser aufblitzen, bewegte Bilder gleich denen in einer riesigen Wundertrommel. Gegenüber begann ein Wald wie aus Grimms Märchen, das Laubwerk dicht und ungebärdig, von Schlingpflanzen überwuchert. Diese Einzelansichten verbanden sich in Celias Innerem zu keinem größeren Lageplan. Ihre Erinnerungen an die Ripley Road datierten aus einer Zeit, in der sie ohne eigenes Zutun an ihre Zielorte gelangte. Um nun dorthin zu finden, würde Celia die Strecke ihres Schulbusses nachfahren und sich an Orientierungspunkte aus der Kindheit statt an Straßennamen halten müssen: ein bestimmtes Haus, eine bestimmte Straßenecke, eine spitzwinklige Abzweigung, eine gemächliche Steigung, vorbei an einer Kirche, und gleich dahinter links abbiegen.
Celia ließ sich von ihrem Instinkt leiten, vertraute auf ihr Kindergedächtnis, das ihr schon sagen würde, wo sie die Richtung ändern musste. Der Bus hatte sich auf verschlungenen Wegen durch die Hügellandschaft vorgearbeitet, zu Häusern, die wie aufgefädelte Perlen an kurvenreichen Nebenstraßen lagen. Unterwegs registrierte Celia eine verbreiterte Straße, einen Kirchenanbau und einen Lebensmittelladen auf einem bislang unbebauten Grundstück, doch im Großen und Ganzen war die Szenerie unverändert. Alles, was sie wiederentdeckte – die Bahngleise, die Pflanzschule, der grobe Bretterzaun um ein winziges Schindelhaus, dessen Fensterläden so grün waren wie in Celias Erinnerung –, klang in ihr nach wie eine sanft gezupfte Saite.
Zu fünft waren sie auf dem schmalen Schotterstreifen neben der Straße gelaufen. Vorbeizischende Autos hatten mit der Wucht von Steinschleudern Kiesel gegen ihre Beine spritzen lassen. Celia erinnerte sich an ein durchlöchertes Tempolimit-Schild an der Straßenbiegung, wo Djuna vorausgelaufen war. Als Celia ihr in den Wald folgte, hatten das Knacken und Krachen des dürren Reisigs am Boden ihre Atemzüge übertönt.
Es hatte dort einmal gebrannt, nach einem Blitzschlag, die Nachricht hatte sogar in der Lokalzeitung gestanden. Das war in der zweiten Klasse gewesen, lange vor Djunas Zeit, als es bei den Busfahrten vor allem
Weitere Kostenlose Bücher