Böse Freundin (German Edition)
hochgezogenen Mundwinkel umspielten. Jetzt begriff sie, warum ihr die Augen ihrer Mutter auf Fotos immer so klein erschienen waren: Vor ihr öffnete Noreen sie weiter als vor jeder Kamera. Eine Gunst, an sie verschwendet in all den Jahren, in denen sie nicht bereit dafür gewesen war.
[zur Inhaltsübersicht]
11. Kapitel
«Du bist es», sagte Huck. «Wie viel Uhr ist es bei euch? Zehn?»
«Ich war unten», sagte sie. «Hab gewartet, bis keine Dielen mehr knarzten und kein Wasser mehr lief. Ich hab mich durch das Fernsehprogramm gezappt und so getan, als wärst du hier.» Als sie sich nach oben verzogen hatte, war im Schlafzimmer ihrer Eltern alles dunkel, die Tür stand einen Spalt offen. Im Gästezimmer hatte sie am Türknauf gerüttelt, um sicherzugehen, dass wenigstens das Schnappschloss eingerastet war, weil es sonst keine Verriegelungsmöglichkeiten gab.
«Was wollte ich mir denn ansehen?», fragte Huck.
«Irgend so ein Historiendingsbums über Crispus Attucks», sagte sie. «Ich hab nur ja gesagt, weil er zu deinen Lieblingen gehört.»
«Es tut mir leid, das von vorhin», sagte er. «Ich habe laut gedacht. Das Thema hätte ich mir aufheben sollen, bis wir wieder in derselben Zeitzone sind.»
Celia presste den Hörer ans Ohr.
«Ceel?», fragte er. «Bist du noch dran?»
Durch die Leitung hörte sie Schritte, an deren Klang sie erkannte, dass Huck aus dem Wohnzimmer ging.
«Es wird schon wieder», sagte er.
«Ich weiß nicht, Huck.» Sie schloss die Augen und vergrub das Gesicht in der Hand.
«Lass mich den Beweis antreten», sagte er.
«Ich glaube, ich will einfach bloß ins Bett.»
«Ich auch. Du fehlst mir, Ceel. Seit du fort bist, ist mir klar geworden, dass du mir schon sehr, sehr lange fehlst.»
Sein Atem klang zittrig.
«Manchmal drifte ich weg», sagte er, «und dann ist es, als sähe ich alles durch ein verkehrt herum gehaltenes Fernglas. Als du mich am Dienstagmorgen auf dem Weg zur Tür geküsst hast, ist mir aufgefallen, dass wir uns seit Ewigkeiten nur noch Gutenachtküsse und Abschiedsküsse geben. Seit drei Tagen denke ich jetzt schon darüber nach und warte auf eine Gelegenheit, daran etwas zu ändern.»
Vielleicht war es der Raumklang, der sich übers Telefon ein wenig verändert anhörte, oder nur eine der vielen wortlosen Gewissheiten, die aus ihrem langen Zusammensein erwachsen waren, jedenfalls herrschte nun ein anderes Schweigen zwischen ihnen. Celia zwang sich, darauf einzugehen.
«Du fehlst mir auch», sagte sie.
«Bist du im Schlafzimmer?», fragte er.
«Ja.»
«Die Tür ist zu?»
«Ja, natürlich.» Sie sah sicherheitshalber noch einmal nach.
«Geh zum Spiegel.»
«Also, ich weiß nicht, Huck.»
«Komm, wir machen das jetzt einfach, Ceel. Versuchen wir’s wenigstens.»
Gemeint war, dass sie etwas für ihn machen sollte. «Was hast du an?», fragte er.
«Nichts Tolles», sagte sie. «Den grünen Pullover und die schwarze Hose.»
«Deinen grünen Pulli mit dem V-Ausschnitt?»
«Ja.»
«Der, unter dem du immer das Hemdchen trägst?»
«Ja. Hör zu, morgen Abend, wenn du hier bist –»
«Nein, nein», sagte er. «Das ist perfekt so. Jetzt zieh den BH und das Hemdchen aus – aber behalt den Pullover an und sag mir dann, was du siehst.»
Das hatten sie bisher nur einmal gemacht, vor Jahren, als Huck zu einer Lehrerkonferenz nach Wisconsin gefahren war. Er hatte sie mit seinem Anruf geweckt, ihr leise und drängend ins Ohr gesprochen. Etwas in ihr war auf seine Stimme angesprungen.
Celia wand sich aus den Pulloverärmeln und zwängte erst den einen, dann den anderen Arm durch das Hemd. Sie griff nach hinten, hakte den BH auf und streifte die Träger von den Schultern, zog dann den BH von unten und das Hemd durch den Halsausschnitt heraus. Sie glaubte Huck vor sich zu sehen, das Telefon ans Ohr gedrückt, hellwach auf das kleinste Geräusch lauschend.
«Okay», sagte sie.
«Beschreib’s mir.»
«Ich hab beides ausgezogen, so wie du es wolltest.»
«Beschreib’s mir. Du bist mit den Armen herausgeschlüpft –»
«Ich bin mit den Armen aus den Ärmeln raus und hab dann das Hemd unter dem Pullover ausgezogen. Dann habe ich den BH aufgemacht.»
«Mit einer Hand oder mit beiden?»
«Mit einer. Ich hab einfach nach hinten gegriffen und –»
«Gut, du hast einfach nach hinten gegriffen. So, ich weiß, du stehst jetzt vor dem Spiegel, weil ich es dir gesagt habe, aber ich wette, du bist zu weit weg. Geh ganz nah ran. So, dass du ihn richtig
Weitere Kostenlose Bücher