Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
plötzlich wieder die Beherrschung verlor.
    »Aber jetzt sind Sie nüchtern, Herr Lebjadkin?« fragte Pjotr Stepanowitsch mit durchdringendem Blick.
    »Ich … ich bin nüchtern.«
    »Und was bedeutet Familienehre und herzlich unverdiente Schmach?«
    »Ich habe niemand damit gemeint, ich habe niemand beabsichtigt. Ich habe für mich gedacht …« Der Hauptmann versank abermals in Schweigen.
    »Meine Äußerungen über Sie und Ihr Benehmen scheinen Sie sehr gekränkt zu haben? Sie sind sehr empfindlich, Herr Lebjadkin. Aber, erlauben Sie, ich habe ja noch nicht einmal angefangen, über Ihr Benehmen zu sprechen, über Ihr wirkliches Benehmen. Ich werde anfangen darüber zu sprechen, das ist sehr gut möglich, aber ich habe noch nicht angefangen, von Ihrem wirklichen Benehmen zu sprechen.«
    Lebjadkin zuckte zusammen und starrte Pjotr Stepanowitsch entsetzt an.
    »Pjotr Stepanowitsch, erst jetzt fange ich an aufzuwachen!«
    »Hm. Und ich bin es wohl, der Sie geweckt hat?«
    »Ja, Sie haben mich geweckt, Pjotr Stepanowitsch. Ich aber habe vier Jahre lang unter einer unheilschwangeren Wolke geschlafen. Darf ich mich endlich entfernen, Pjotr Stepanowitsch?«
    »Jetzt dürfen Sie, es sei denn, Warwara Petrowna hält es für nötig …«
    Aber Warwara Petrowna winkte mit beiden Händen ab.
    Der Hauptmann verbeugte sich, machte zwei Schritte auf die Tür zu, hielt plötzlich inne, legte die Hand aufs Herz, wollte schon etwas sagen, sagte aber nichts und setzte seinen Weg im Laufschritt fort. Aber genau in der Tür stieß er auf Nikolaj Wsewolodowitsch; dieser trat zur Seite; der Hauptmann schien plötzlich vor ihm irgendwie zu schrumpfen, er blieb wie gebannt stehen, ohne den Blick von ihm abzuwenden, wie das Kaninchen vor der Riesenschlange. Nachdem Nikolaj Wsewolodowitsch einen Augenblick gewartet hatte, schob er ihn mit einer leichten Handbewegung zur Seite und trat in den Salon.
    VII
    ER war heiter und ruhig. Vielleicht hatte er etwas sehr Angenehmes erlebt, von dem wir noch nichts wußten; er aber schien sogar besonders zufrieden.
    »Kannst du mir verzeihen, Nicolas?« Warwara Petrowna konnte nicht an sich halten und erhob sich rasch ihm entgegen.
    Aber Nicolas lachte ungezwungen.
    »Es stimmt also!« rief er gutmütig scherzend. »Ich sehe, daß Ihnen bereits alles bekannt ist. Nachdem ich hier gegangen war, machte ich mir in der Kutsche Gedanken: ›Ich hätte wenigstens die Geschichte erzählen sollen, denn wer geht auf diese Weise fort?‹ Aber als mir einfiel, daß Pjotr Stepanowitsch bei Ihnen geblieben ist, war ich alle Sorgen los.«
    Beim Sprechen sah er sich flüchtig im Zimmer um.
    »Pjotr Stepanowitsch erzählte uns eine alte Petersburger Geschichte aus dem Leben eines Phantasten«, nahm Warwara Petrowna verzückt den Faden auf, »eines launischen und verrückten Menschen, dessen Gefühle aber stets erhaben sind und der stets ritterlich und vornehm handelt …«
    »Ritterlich? Seid ihr wirklich schon soweit?« Nicolas lachte. »Übrigens danke ich dieses Mal sehr Pjotr Stepanowitsch für seine Eilfertigkeit« (dabei wechselten die beiden einen raschen Blick). »Sie müssen wissen, maman, daß Pjotr Stepanowitsch ein allgemeiner Friedensstifter ist; das ist seine Rolle, seine Schwäche, sein Steckenpferd, und ich empfehle ihn ganz besonders in dieser Beziehung. Ich kann mir schon denken, was er Ihnen in Schnellschrift vorgetragen hat. Bei ihm geht es ja immer in Schnellschrift, wenn er erzählt; er hat eine komplette Kanzlei im Kopf. Sie müssen wissen, daß er als Realist nicht lügen kann und daß die Wahrheit ihm über den Erfolg geht … Natürlich die Fälle ausgenommen, in denen der Erfolg über die Wahrheit geht.« (Indem er sprach, sah er sich fortgesetzt um.) »Sie sehen also deutlich, maman, daß nicht Sie mich um Verzeihung zu bitten haben, und wenn es sich hier um eine Verrücktheit handelt, dann natürlich in erster Linie um die meine, so daß ich letzten Endes doch verrückt bin – und damit meiner hiesigen Reputation gerecht werde …«
    Dabei umarmte er seine Mutter zärtlich.
    »Jedenfalls ist die Sache jetzt abgetan und erzählt, also Schluß damit«, fügte er hinzu, und ein gewisser trockener und harter Ton schwang in seiner Stimme. Warwara Petrowna vernahm diesen Ton; aber ihre Exaltation legte sich nicht, sogar im Gegenteil.
    »Ich hatte dich nicht eher als in vier Wochen erwartet, Nicolas!«
    »Ich werde Ihnen selbstverständlich alles erklären, maman, aber jetzt …«
    Und er

Weitere Kostenlose Bücher