Boese - Horror
hatte sogar Angst zu atmen. Ein leises, metallisches Scheppern verriet ihm, dass der Briefkasten geöffnet und geschlossen worden war.
Noch ein Brief.
Hobie wusste, dass er aufspringen, nach draußen laufen und den hässlichen, mageren Bastard verprügeln sollte, aber er hatte zu viel Angst, um auch nur erkennen zu lassen, dass er da war. Mit angespannten Muskeln und innerlich zitternd, schloss er die Augen, bis er sich entfernende Schritte und das leiser werdende Geräusch eines Motors hörte.
Hobie saß dort bis zur Morgendämmerung, aus Furcht, wieder ins Bett zu gehen, aus Furcht, in den Briefkasten zu sehen, aus Angst, sich zu bewegen. Erst das Klingeln seines Weckers um sechs Uhr zwang ihn, die Couch zu verlassen.
22.
Doug saß auf dem Stuhl mit der harten Lehne und sah den Polizeichef wütend an. »Ich habe es gesehen!«
»Okay, nehmen wir mal an, dass der Postbote im Dunkeln getanzt hat. Ja und? Das verstößt nicht gegen das Gesetz. Tanzen wird als eine legitime Form des Selbstausdrucks angesehen.«
»Spielen Sie keine Spielchen mit mir. In dieser Stadt passieren ein paar verdammt seltsame Dinge, und Sie kommen hier mit diesem lächerlichen Scheiß.«
Der Chief betrachtete ihn mit kühlem Blick. »Das Gesetz ist kein ›lächerlicher Scheiß‹, Mister Albin. Mir ist Ihre Meinung in dieser Angelegenheit wohl bewusst, und ich will ehrlich sein und Ihnen sagen, dass wir bei unseren Ermittlungen sämtlichen Hinweisen nachgehen.«
Mike Trenton, der neben dem Chief saß, starrte stumm auf den Tisch.
»Behandeln Sie mich nicht von oben herab wie ein zweitklassiger Film-Cop. Sie wissen so gut wie ich, dass hier etwas Merkwürdiges im Gange ist.«
»Ich sage Ihnen nicht, wie Sie unterrichten sollen, also sagen Sie mir nicht, wie ich meinen Job tun soll.« Der Chief stand auf. »Ich würde es sehr schätzen, wenn Sie sich aus polizeilichen Angelegenheiten heraushielten. Wir sind absolut in der Lage, die Dinge ...«
»Absolut in der Lage?«
»Das war's dann, Mister Albin.« Der Chief legte die Hände auf den Tisch und beugte sich vor. »Ich habe genug Zeit damit verschwendet, mit Ihnen zu reden und mir Ihre Theorien anzuhören. Bitte belästigen Sie diese Polizeiwache nicht noch einmal, oder Sie werden sich wegen Behinderung der Justiz verantworten müssen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Doug sah zu Mike hinüber, aber der junge Cop starrte immer noch auf den Tisch und wich seinem Blick aus. »Perfekt«, sagte Doug.
Doug verbrachte den Rest des Tages so, wie er den ganzen Sommer verbringen wollte: Er saß auf der Veranda und las. Aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte sich nicht entspannen und seine Freizeit genießen. Er wusste, dass er die Sache auf dem Polizeirevier gewaltig in den Sand gesetzt hatte, und das Wissen, dass er die Position des Postboten in den Augen der Polizei gestärkt haben konnte, machte ihm zu schaffen. Er hätte es besser wissen müssen. Er hätte vorsichtiger sein müssen, hätte wenigstens den Anschein von Ruhe und Vernunft wahren müssen. Stattdessen hatte er herumgemeckert wie ein Fanatiker.
Er legte sein Buch hin und starrte zu den Bäumen hinüber. War es möglich, dass er in die Ereignisse irgendwelche Bedeutungen hineinlas, die gar nicht existierten? Dass er unter irgendeiner Art von zwanghafter Einbildung litt?
Nein.
Er hatte den Beweis mit eigenen Augen gesehen.
Ein Bluebird flitzte auf der Suche nach Nahrung von Baum zu Baum, und Doug beobachtete ihn gleichgültig. Er wusste, dass viele seiner Lehrerkollegen in ihrer eigenen kleinen, akademischen Welt lebten, völlig isoliert vom Leben um sie herum. Er konnte das nicht. Es wäre schön, wenn er es könnte, aber Gott sei Dank - oder leider - lebte er in der realen Welt. Er war betroffen von der Politik, von der Wirtschaft, vom Wetter.
Vom Postboten.
Eines hatte er in den letzten zwei Wochen gelernt: Wie sehr er von der Post betroffen war, wie sehr sie in alle Bereiche seines Lebens eindrang.
»Doug!«
Er blickte auf. Trish stand im Türrahmen und hielt die Gittertür auf.
»Möchtest du auf der Veranda zu Mittag essen oder drinnen?«
Unentschlossen zuckte er mit den Schultern und nahm das Buch von seinem Schoß.
Im nächsten Augenblick spürte er Trishs Hand auf seinem Arm. »Warum fahren wir nicht für einen Tag nach Sedona und lassen das alles mal hinter uns? Wir lassen uns viel zu sehr davon beeinflussen.«
Er nickte langsam. »Du hast recht.«
»Es würde uns guttun, mal wegzufahren.«
»Ja.
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