Boese - Horror
Veranda hinunter.
Als sie zum Wagen ging, hörte sie, wie die Tür hinter ihr abgeschlossen und der Riegel vorgeschoben wurde.
Beim Wegfahren winkte Trish, ohne nachzusehen, ob ihr Winken erwidert wurde. Sie bog auf die Straße ab und fuhr nach Hause. Sie hatte gewusst, dass der Postbote dafür verantwortlich war, dass es in der Stadt immer schlimmer wurde. Sie hatte gewusst, dass dieser Bastard für die unbezahlten Rechnungen, die fehlgeleitete Post, die Hassbriefe und wahrscheinlich auch für die Todesfälle verantwortlich war. Aber wie weit er zu gehen gewillt war, wie weit zu gehen er fähig war, war ihr noch nie mit solcher Wucht deutlich geworden wie in dem Augenblick, als sie in die Schachtel geblickt und den Zeh gesehen hatte. Solch willkürliche und zugleich wohl überlegte Bösartigkeit konnte sie einfach nicht begreifen.
Was ihr sogar noch mehr Angst machte war die Erkenntnis, dass der Postbote die einzige Person in Willis war, die zu jedermann in der Stadt Zugang hatte und die täglich mit fast jedem Haushalt zu tun hatte. Trish war nie religiös gewesen; sie war sich nicht einmal sicher, ob sie an »das Gute« und »das Böse« glauben sollte. Aber nun glaubte sie daran. Und sie glaubte, dass das Böse eine perfekte Gestalt gewählt hatte, in der es sein Werk verrichten konnte. Wenn John Smith ein Prediger oder Lehrer oder Politiker gewesen wäre, hätte er bei weitem nicht so viele Menschen erreicht wie jetzt, und er wäre nicht in der Lage gewesen, sich so unmerklich, so mühelos in das Leben der Menschen einzuschleichen.
Auch die Passivität der Stadt machte Trish Sorgen. Die Unwilligkeit der Leute, sich dem zu stellen, was vor sich ging, und etwas dagegen zu unternehmen. Auch sie selbst und Doug hatten wenig getan, um den Postboten zu stoppen und seinen Plänen ein Ende zu bereiten, obwohl sie viel davon gesprochen hatten. Es war, als warteten sie darauf, dass ein anderer die Verantwortung übernahm und das Problem löste.
Aber was konnten sie überhaupt tun? Obwohl sie sich bewusst waren, was vor sich ging, und versucht hatten, sich wirkungsvoll dagegen zu wappnen, hatte der Postbote massiv in ihr Leben eingegriffen. Sie hatten dem Sirenengesang der Post widerstanden, hatten sich gegen die offensichtlichen psychologischen Attacken auf sie blind und taub gestellt, und doch hatte ihr Familienleben sich unmerklich verändert. Im Angesicht der Not waren sie einander nicht näher gerückt, sondern hatten sich in gewissem Sinne in sich selbst zurückgezogen. Es gab keine offensichtlichen Mauern oder Barrieren; ihre Beziehung war nicht gespannt oder belastet, doch die Frotzelei und Kameradschaft, die beispielsweise Doug und Billy geteilt hatten, war verschwunden und ersetzt worden durch ein freundliches, aber förmlicheres und weniger intimes Rollenverhalten. Trishs eigene Beziehung zu Doug und Billy hatte eine ähnliche Veränderung durchgemacht. Sie und Doug gingen distanzierter miteinander um. Selbst der Sex schien weniger ein Ausdruck der Liebe zu sein als vielmehr die Befriedigung selbstsüchtiger Bedürfnisse, auch wenn sich von außen überhaupt nichts verändert hatte. Außerdem hatte sie sich in letzter Zeit angewöhnt, Billy Standpauken zu halten - in einem autoritären Tonfall, den sie nie hatte annehmen wollen.
Sie wusste, dass auch Doug diese Veränderungen bemerkt hatte, wenn auch keiner von beiden mit dem anderen darüber gesprochen hatte. Sie konnte es in seinen Augen sehen, an seinem Verhalten ablesen. Es drückte sich weniger durch das aus, was er sagte, als durch das, was er nicht sagte. Sie redeten immer noch über die aktuellen Ereignisse, über häusliche Angelegenheiten, versuchsweise sogar über den Postboten, doch ihre Gespräche besaßen eine gewisse Oberflächlichkeit. Mehr als einmal hatte Trish das Gefühl, dass sie mehr zueinander sprachen als miteinander.
Und das war die Schuld des Postboten.
Aber Trish wollte ihn nicht siegen lassen. Sie weigerte sich, ihre Familie von dieser Kreatur auseinanderreißen zu lassen. Es wäre einfach, zu kapitulieren und zuzusehen, wie der Bruch zwischen ihr und Doug größer wurde. Doch sie schwor sich, niemals zuzulassen, dass alles noch schlimmer wurde. Sie würde ihrem Mann und ihrem Sohn die Hand hinhalten. Sie würde der Lethargie der Gefühle ein Ende setzen, und sie würde die beiden zwingen, dasselbe zu tun.
Am liebsten hätte Trish am Postamt angehalten und dem Postboten ins Gesicht gesagt, dass sie seine Versuche, sie zu
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