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Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8

Titel: Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Pillen.«
    »Wann?«
    »Neunzehnhundertachtzig.«
    Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Achtzig? Was soll dann der Quatsch von wegen Ermittlungen?« Ihr Arm schoss vor, sie umklammerte mein Handgelenk. Eine große, starke Frau. »Reden Sie schon! Wer sind Sie, und was wollen Sie?«
    Ein paar Leute drehten sich um. Sie ließ meinen Arm los. Ich zeigte ihr meinen Ausweis und sagte: »Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Es geht um Rache.«
    Ich erzählte ihr von den »Böse Liebe«-Morden und nannte die Namen der Opfer. Als ich fertig war, lächelte sie kalt und sagte: »Es tut mir leid um die Leute, aber...«
    »Aber was?«
    »Böse Liebe - dass sein eigener Scheiß auf ihn zurückfällt. Das gefällt mir.«
    »Sie meinen, böse Liebe war etwas, das er praktiziert hat?«
    »Aber klar. Böse Liebe hieß, du warst ein wertloses Stück Dreck, das verdiente, misshandelt zu werden. Böse Liebe für böse Kinder -psychologische Akupunktur, viele kleine Nadelstiche, keine Narben. Nein, wir wollen doch keine Narben hinterlassen auf den wunderbaren kleinen Kindern.«
    »Was genau hat er gemacht?«
    »Gute Liebe an einem Tag, böse Liebe am nächsten. Wenn alle zusammen waren - im Speisesaal oder bei der Schulversammlung -, war er der gute Onkel. Besonders, wenn Besucher da waren. Ein lustiger alter Kerl, immer Lachen und Witze, jede Menge Witze. Er wuschelte unser Haar und machte mit bei unseren Spielen. Er war ganz fit für sein Alter. Am liebsten spielte er Völkerball, und wenn jemand richtig fest getroffen wurde, dann machte er immer eine Riesenshow mit Herzen und Trösten. Ein richtig lieber Mann - lieber Doktor, meine ich. Er erzählte uns, wir seien die wunderbarsten Kinder der Welt und dass seine Schule die schönste der Welt war, mit den wunderbarsten Lehrern. Wir waren eine große, glückliche, internationale Familie...« Sie stieß ein kurzes, böses Lachen aus. »Die große Familie... Aber wenn du was falsch machtest, wenn du dich danebenbenahmst, dann gab es Einzelunterricht. Und plötzlich warst du nicht mehr schön und wunderbar, dann war die ganze Welt auf einmal furchtbar hässlich.«
    Sie schniefte und nahm ihre Serviette, um sich die Nase zu putzen. Ich dachte an ihre Bemerkung über kolumbianischen Kaffee und fragte mich, ob sie sich vielleicht mit einer kleinen Prise gestärkt hatte vor unserem Treffen, doch sie unterbrach meine Gedanken: »Keine Sorge, es ist kein Schnee, nur ganz normale Gefühle. Gefühle, die ich gegenüber diesem Schwein habe, sogar wenn er tot ist. Ich hasse ihn. Ist das nicht erstaunlich, nach all den Jahren? Ich bin selbst überrascht, wie sehr ich ihn hasse. -Weil er mich dazu gebracht hat, mich selbst zu hassen. Dabei war meine Selbstachtung ohnehin so gut wie nicht vorhanden. Ich war schon fertig genug, weil ich mit dreizehn noch nicht lesen konnte. Alle gaben mir die Schuld, ich selbst eingeschlossen. Meine Schwestern waren Klassenbeste, und ich hatte lauter Fünfen. Ich war eine Frühgeburt. Schwierige Schwangerschaft. Muss mein Gehirn beeinflusst haben - dass ich nicht lesen konnte, und das andere...« Sie grinste mich an. »Jetzt ist es also raus: noch ein Problem. Wagen Sie einen Tipp? Na los!«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Sie wollen nicht? Was soll’s auch, es ist nichts, wofür ich mich schämen müsste. Ich habe eine bipolare Verhaltensstörung. Stinknormal manisch-depressiv. Sag den Leuten, du bist high, dann kriegst du die Antwort: ›Ja, ich auch, und wenn du sagst: Nein, so mein ich das nicht, dann...«
    »Nehmen Sie Lithium?«
    »Solange die Arbeit nicht zu viel wird, sonst macht es mich zu schlapp. Ich hab sogar einen Psychiater gefunden, der erkannt hat, was de Bosch mit mir gemacht hat. - Böse Liebe. De Bosch hat mich fast überzeugt, dass ich echt schlecht bin. In einem kleinen Zimmer, einer winzigen verriegelten Zelle. Nackte Glühbirne, manchmal nur eine Kerze. Und zwei Stühle, sonst nichts. Er und ich, seine Knie berühren mich fast, nichts dazwischen. Und dann starrt er dich an, eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit. Und dann fängt er an zu sprechen, mit seiner tiefen, entspannten Stimme, als wollten wir uns nur ein bisschen unterhalten. Zuerst denkst du, na ja, kann ja nicht so schlimm werden, er klingt doch so nett.«
    »Worüber sprach er?«
    »Zuerst darüber, was Menschen sind. Dass jeder eine gute und eine schlechte Seite hat und dass der Unterschied zwischen Erfolg und Versagen ist, welche Seite man wählt. Und dass wir Kinder bei ihm wären, weil

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