Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8
Kinder. Hilfe für Familien mit Fragen, auf die es keine Antworten gab.
Im März jenes Jahres beschlossen der Leiter der Psychiatrie und der Chefpsychologe, gleichzeitig ein Jahr Forschungsurlaub einzulegen. Sie standen schon lange auf Kriegsfuß miteinander, und der Psychologe kehrte nie mehr zurück. Ihre letzte gemeinsame Tat war, mich als Übergangschef einzusetzen. Sie klopften mir auf die Schulter und gaben sich alle Mühe, es wie den ersten Schritt zu einer wundervollen Karriere aussehen zu lassen. In Wirklichkeit bedeutete es nur mehr Papierkrieg und eine vorübergehende Gehaltserhöhung, die mich lediglich in die nächsthöhere Steuerklasse beförderte.
Western Ped hatte damals noch einen guten Namen. Ich lernte schnell, dass es zu meinen neuen Aufgaben gehörte, Anfragen von Ämtern und Institutionen zu sichten, die sich mit uns in Verbindung bringen wollten. Meistens ging es um gemeinsam auszurichtende Konferenzen, zu denen das Krankenhaus die Räumlichkeiten zur Verfügung stellte und dafür einen Teil der Einnahmen und Gratis-Weiterbildung für seine Mitarbeiter bekam. Von der Flut von Anfragen, die jedes Jahr eingingen, waren etliche aus Kreisen der Psychiatrie oder Psychologie, und nur zwei oder drei davon wurden akzeptiert.
Katharina de Boschs Brief war einer von denen, die ich in den ersten Wochen auf meinem neuen Posten zu sehen bekam. Ich las ihn durch und lehnte ab. Die Entscheidung fiel mir leicht, denn für Theoretiker in klassischer Psychoanalyse hatten wir keinen Bedarf. Und nach dem, was ich von ihm gelesen hatte, war Andres de Bosch ein ziemliches Leichtgewicht. Als Autor fleißig, aber seicht. Nichts Neues, kein eigenständiger Gedanke. Sein internationales Ansehen ging auf ein Jahr in Wien als einer von Freuds Studenten und auf seine Teilnahme am französischen Widerstand zurück. Ich war nicht einmal sicher, ob er nicht noch lebte, obwohl die Konferenz, die seine Tochter vorschlug, nach einer Gedenkveranstaltung klang. Ich schrieb ihr einen höflichen Brief.
Zwei Wochen darauf wurde ich zum medizinischen Direktor gebeten, einem Kinderchirurgen namens Henry Bork, mit einer Vorliebe für jamaikanische Zigarren und abstrakte Gemälde. Ein Chirurg, der seit Jahren nicht mehr operiert hatte.
Er begrüßte mich freundlich und bat mich, auf einem seiner Breuer-Stühle Platz zu nehmen. Auf dem anderen saß eine schlanke Frau. Sie sah etwas älter aus als ich, Anfang dreißig, dachte ich, aber ihr Gesicht hatte diesen langen, gramvollen Schnitt, der Menschen älter erscheinen lässt.
Ich setzte mich, und sie beobachtete mich, ihre spindeligen weißen Hände übereinandergelegt. Sie hatte ekzemartigen Ausschlag zwischen den Fingern, und eines ihrer Nagelbetten war wund.
Bork stellte sich zwischen uns und breitete die Arme aus, als sei er im Begriff, eine Symphonie zu dirigieren.
»Dr. Delaware, darf ich vorstellen, Dr. de Bosch. Dr. de Bosch, Alex Delaware ist unser kommissarischer Chefpsychologe.«
Ich lächelte sie an. Sie nickte so unmerklich, dass ich nicht wusste, ob ich es mir nur eingebildet hatte.
»Alex, erinnern Sie sich noch an das Schreiben von Dr. de Bosch, in dem sie ein gemeinsames Projekt mit Ihrer Abteilung vorschlägt?«
Ich nickte.
»Und was ist daraus geworden?«
»Ich habe es abgelehnt.«
»Darf ich fragen, warum?«
»Unsere Mitarbeiter wünschen sich mehr praxisnahe Veranstaltungen.«
Bork schaute gequält und schüttelte den Kopf. Dann reichte er mir einen blauen Bogen Papier. Es war das Programm der Konferenz und roch noch nach Druckerschwärze. Es enthielt den vollständigen Stundenplan, Rednerliste und Anmeldungsformular. Mein Name war unter Katharina de Bosch als Mitglied des Konferenzkomitees aufgeführt. Das Foto darunter war aus meiner Akte kopiert.
Mein Kopf wurde rot, und ich holte tief Luft. »Ich sehe, Sie stellen mich vor vollendete Tatsachen, Henry.« Ich wollte ihm das Programm zurückgeben, doch er hielt seine Hände hinter dem Rücken gefaltet.
»Behalten Sie es nur, Alex.«
Ich überlegte, ob ich meine Würde wahren sollte, und entschied mich dagegen. »Nett, zu erfahren, was ich im November machen werde, Henry. Haben Sie schon meine Termine für den Rest des Jahrzehnts geplant?«
»Ein unglückliches Missverständnis, Alex. Eine Entscheidung, die in der Übergangszeit zwischen Dr. Greiloffs und Dr. Franks Weggehen und Ihrer Übernahme getroffen werden musste. Der Vorstand gibt seinem Bedauern Ausdruck.«
»Warum dann die Mühe, mir die
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