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Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8

Titel: Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Symposium war schwach besucht, vielleicht siebzig oder achtzig Therapeuten und Studenten in einem Hörsaal für vierhundert Leute.
    Sie stellte sich vor, mit Namen und Titel, und verlas mit monotoner Stimme eine vorbereitete Rede über die Ruhmestaten ihres Vaters.
    Ich hatte mir vor der Veranstaltung die Zeit genommen, Andres de Boschs gesammelte Schriften durchzusehen,. was meine Meinung über ihn nicht verbessert hatte. Sein Stil war gut, aber seine Theorien über Kindererziehung - der Gute Liebe/ Böse Liebe-Ansatz, den Katharina als Titel für die Konferenz benutzte - stellten in meinen Augen nicht mehr dar als eine Erweiterung und Zusammenwürfelung von Gedanken über die Mutterrolle, die andere schon gehabt hatten. Ein bisschen Anna Freud, eine Prise Melanie Klein, vermischt mit Stückchen von Winnicott, Jung und Bettelheim. Eine Sammlung von Banalitäten, aufgelockert mit Anekdoten aus seiner Arbeit mit Kindern in seinem Heim. Dabei schaffte er es stets, seine Pilgerfahrt nach Wien und seine Kriegserinnerungen einzuflechten, mitsamt den berühmten Namen und ganz in der übertrieben saloppen Art von Leuten, die sich selbst bewundern und niemanden sonst.
    Auch die Zuhörer waren nicht gerade begeistert, doch dem besessenen Blick der treuen Tochter schien das zu entgehen. Am zweiten Tag blieb die Hälfte weg. Die Redner, drei Therapeuten, die in Los Angeles praktizierten, machten den Eindruck, sie wären am liebsten woanders. Katharina hätte mir leidtun können, doch sie schien nichts zu merken.
    Sie legte ein Foto nach dem anderen auf - ihr Vater in jüngeren Tagen, mit schwarzem Haar und Bocksbärtchen, dann bei der Arbeit an einem riesigen geschnitzten Schreibtisch, umgeben von Statuetten und Büchern, beim Zeichnen mit einem jungen Patienten, beim Schreiben im bräunlichen Licht einer Tiffanylampe.
    Dann eine andere Serie: mit ihr, seinen Arm um ihre Schulter gelegt - sogar als Teenager hatte sie schon alt ausgesehen. Die beiden hätten durchaus ein Liebespaar sein können.
    Dann wieder er allein, in Wolldecken gewickelt, zusammengesunken in seinem elektrischen Rollstuhl, an einsamem Gestade, im Hintergrund der makellose blaue Ozean im krassen Gegensatz zu seiner greisenhaften Hässlichkeit.
    Es war eine traurige Spielart des berüchtigten Diavortrags daheim mit Freunden. Die wenigen Zuhörer, die noch durchgehalten hatten, schauten weg. Es war zu peinlich.
    Harvey Rosenblatt schien besonders zu leiden. Ich sah, wie er sich die Hand über die Augen hielt und die gekritzelten Notizen für seinen Vortrag studierte.
    Ich traf ihn, als wir auf den Beginn der Nachmittagssitzung warteten. Er war ein großer, graubärtiger, zerzauster Typ in den Vierzigern. Er sprach mich an. Seine Wärme schien mehr zu sein als die übliche professionelle Fassade. Er war ungewöhnlich offen für einen Therapeuten und erzählte ungefragt von seiner Praxis in Manhattan, von der Psychologin, mit der er seit zwanzig Jahren verheiratet war, und von den Freuden und Sorgen beim Großziehen dreier Kinder. Seinen Jüngsten, einen fünfzehnjährigen Burschen, hatte er mitgebracht.
    »Er ist im Hotel und schaut sich Filme an. Wahrscheinlich die schmutzigen, was meinen Sie? Aber er ist ein guter Junge. Ich habe ihn mitgenommen, weil ich dachte, wir könnten eine Art Urlaub daraus machen. Das versuche ich mit allen, sobald sie groß genug sind. Es ist schwer, mit anderer Leute Kindern zu arbeiten, wenn man keine Zeit für die eigenen findet. Haben Sie Kinder?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Es bildet, glauben Sie mir das. Es ist mehr wert als zehn Jahre Studium.«
    »Behandeln Sie ausschließlich Kinder?«
    »Halb und halb. Ich muss sagen, dass die Arbeit mit Kindern über die Jahre immer weniger geworden ist.«
    »Wie kommt das?«
    »Ich glaube, es ist mir einfach nicht verbal genug. Nach drei Stunden Spieltherapie fange ich an zu schielen. Egoistisch, ich weiß, aber wahrscheinlich nütze ich den Kindern nicht viel, wenn ich keinen Spaß daran habe. Meine Frau ist da ganz anders. Ihr macht es nichts aus. Sie ist eine richtige Kinderfee. Und eine wunderbare Mutter.«
    Wir gingen auf einen Kaffee und einen Berliner in die Cafeteria und plauderten eine Weile über Sehenswürdigkeiten, die seinen Sohn interessieren könnten. Auf dem Rückweg zum Hörsaal fragte ich ihn nach seiner Verbindung mit den de Boschs.
    »Andres war mein Lehrer«, sagte er, »drüben in England. Vor elf Jahren hatte ich ein Stipendium für ein Jahr am Southwick Hospital

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