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Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8

Titel: Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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den Motor ab und stieg aus. Die Luft roch nach Staub und saurer Milch. Die Schotterfabrik war vollkommen still und wirkte von hier wie ein Wandgemälde. Etwas entfernt lag ein ausgebranntes Autowrack mit zertrümmertem Dach. Mein Seville war alt und fing an zu rosten, doch in dieser Umgebung wirkte er wie eine Staatskarosse.
    Ich überquerte die menschenleere Straße und fand eine Lücke zwischen den Holzbrettern. Ich schaute durch und konnte nach und nach Formen ausmachen, die wie Hologramme aus den Schatten auftauchten: ein umgedrehter Stuhl, aus dem Polsterwatte und Federn quollen, eine leere Kabeltrommel, haufenweise Papierfetzen und ein ausgefranstes grünes Bündel, das einmal ein Schlafsack gewesen sein mochte. Im Hintergrund das unaufhörliche gedämpfte Brausen der Autobahn.
    Dann bewegte sich etwas. Es rollte über den Boden, weit hinten im Schatten; ich konnte nicht erkennen, ob Mensch oder Tier.
    Ich ging den Zaun entlang, bis ich eine rechteckige Klappe in den Maschen fand, die mit rostigem Blumendraht zugebunden war.
    Ich brauchte eine Weile, um den Draht zu lösen, und schnitt mir in die Finger, bevor ich es schaffte, die Zaunklappe aufzustoßen. Ich kroch durch, machte den Zaun hinter mir dicht und begann meine Expedition, durch beißenden Uringestank und an Betontrümmern, Hamburgerschachteln und anderen Objekten vorbei, die ich mir lieber nicht näher anschauen wollte. Dann ein noch schlimmerer Gestank. Ich hörte die Fliegen, bevor ich die Ursache erkannte und einen großen Bogen darum machen konnte: ein Katzenkadaver, noch ganz frisch. Es ging weiter an einer alten Wolldecke vorbei und einem Knäuel Zeitungspapier, der so feucht war, dass er wie bedruckter Brotteig aussah. Flaschen lagen keine herum, wahrscheinlich weil man die gegen Geld eintauschen konnte. Aber Menschen waren auch keine zu sehen.
    Ich kam zu der Stelle, wo ich glaubte, die Bewegung gesehen zu haben, fast am Ende des Geländes, nur wenige Meter vor einer rauen Betonwand.
    Ich blieb stehen und wartete. Ich schwitzte, mein Rücken juckte.
    Dann sah ich es wieder. Es bewegte sich, Haare und Hände. Etwas auf dem Boden, eingerollt in löchrige Bettlaken, mehrere Lagen, wie eine Mumie. Es zuckte...
    Ein Liebespaar? Nein, unmöglich, die Rolle war nicht dick genug für zwei Leute.
    Ich ging langsam darauf zu, ich wollte niemanden erschrecken. Ich trat gegen eine Dose, eigentlich kaum zu hören bei dem Verkehrslärm, doch die Gestalt schrak auf.
    Es war eine junge, dunkelhaarige Frau, wahrscheinlich Mexikanerin. Nackte, runde Schultern, auf einem Arm eine große Impfnarbe. Sie starrte mich an und drückte die Tücher an ihre Brust. In ihrem runden, narbigen Gesicht las ich Angst -Angst und Scham.
    Das Betttuch rutschte herunter, und ich bemerkte, dass sie nackt war. An ihrer Brust hing ein Säugling. Ich sah nur den Kopf, der Körper steckte in Lumpen.
    Ich trat einen Schritt zurück, lächelte und winkte ihr zu. In ihrem Blick stand immer noch blanke Angst.
    Das Baby nuckelte weiter, und sie legte schützend die Hand über den winzigen Kopf.
    Neben ihren Füßen lag ein kleiner Pappkarton. Er enthielt neue und gebrauchte Papierwindeln und jede Menge Fliegen. Eine Dose Kondensmilch und einen rostigen Öffner. Eine fast leere Tüte Kartoffelchips, ein Paar Gummisandalen und einen Schnuller.
    Die Frau versuchte weiter, ihr Baby zu stillen, während sie von mir wegrückte, so dass sie sich weiter auswickelte und eine fleckige Hüfte entblößte.
    Ich wollte mich abwenden, als sich ihr Gesichtsausdruck änderte: nicht mehr Angst, sondern Erkennen und dann eine andere Art von Angst.
    Ich schnellte herum und stand einem Mann gegenüber.
    Einem Jungen, besser gesagt, siebzehn oder achtzehn Jahre alt, ebenfalls lateinamerikanisch, klein und mager. Sein Kinn war so unterentwickelt, dass es zu seinem dünnen Hals zu gehören schien. Sein Mund stand offen, und ich sah, dass er kaum noch Zähne hatte. Er steckte in einem karierten Flanellhemd, einer Wollhose, die ihm viel zu groß war, und löchrigen Mokassins.
    Sein Blick war voller Panik. Mit zitternden Händen umklammerte er eine Eisenstange.
    Ich wich zurück. Er zögerte erst, doch dann ging er auf mich zu.
    Die Frau schrie auf. Der Junge fuhr zusammen und schaute in ihre Richtung. Im selben Augenblick sprang ich vor und nahm ihm die Eisenstange weg. Es war so einfach, dass ich mir wie ein Schläger vorkam. Der Junge saß auf dem Boden und hielt einen Arm vor sein Gesicht. Offenbar erwartete

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