Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8
er Prügel.
Die Frau war inzwischen aufgesprungen, die Laken waren von ihr abgefallen, so dass sie vollkommen nackt vor mir stand. Das Baby lag im Dreck. Ihr Bauch war faltig und voller Schwangerschaftsstreifen, ihre Brüste schlaff, obwohl sie kaum älter als zwanzig sein konnte.
Ich warf die Eisenstange weg, so weit wie ich konnte, und zeigte ihnen meine leeren Hände, in der Hoffnung, es würde sie beruhigen.
Sie schauten mich an. Das Baby hatte den Mund aufgesperrt, strampelte und boxte wütend in die Luft. Die Frau lief hin und hob es an ihre Brust. Da erst bemerkte sie, dass sie nackt war. Sie kauerte nieder und verbarg ihr Gesicht.
Ich versuchte noch ein Lächeln, doch der Junge ließ nur den Kopf hängen. Seine Hände zitterten noch immer.
Ich holte meine Geldbörse aus der Tasche, nahm einen Zehner heraus und hielt ihn der Frau hin.
Sie rührte sich nicht. Ich legte die Banknote in den Pappkarton und bot auch dem Jungen einen Zehndollarschein an. Er zögerte, dann machte er vorsichtig wie ein Hochseilartist einen Schritt auf mich zu und grabschte mir das Geld aus der Hand.
Ich zeigte ihm einen weiteren Geldschein und begann Richtung Zaun zu gehen, wobei ich öfter über meine Schulter schaute, für den Fall, dass er mich von hinten anzugreifen versuchte.
Nach ein paar Schritten kam der Junge hinter mir her. Ich ging schneller, und er versuchte, mich einzuholen, doch er schien Gummi in den Beinen zu haben. Ich fragte mich, wann er wohl das letzte Mal etwas gegessen hatte.
Ich kroch durch den Zaun auf den Gehweg hinaus. Er folgte mir wenig später und rieb sich die Augen. Das Tageslicht schien ihm wehzutun. Als er sich daran gewöhnt hatte, fragte ich: »Habla inglés?«
»Ich komme aus Tucson, Mann«, antwortete er in akzentfreiem Englisch. Er hatte die Fäuste geballt, doch sein Zittern und die zarten Handgelenke ließen die Kämpferpose lächerlich aussehen. Außerdem hatte er einen bösen, trockenen Husten.
»Tut mir leid, wenn ich euch erschreckt habe«, versuchte ich ihn zu besänftigen.
Er starrte die Banknote an, die ich ihm hinhielt, schnappte danach und steckte sie in seine Hosentasche. Mir fiel auf, dass sein rechter Daumen fehlte.
»Mehr«, sagte er.
Ich schwieg.
»Komm, gib mir mehr, aber denk ja nicht, sie lässt sich deshalb ficken von dir.«
»Da hab ich auch kein Interesse dran.«
Er wusste einen Moment nicht, was er sagen sollte, dann schnauzte er: »Und mich kriegst du auch nicht.«
»Kein Interesse, wirklich nicht.«
Er steckte einen Finger in den Mund und rieb sich das Zahnfleisch. Ich schaute mich unauffällig um, und als ich niemanden sah, zog ich einen vierten Zehner heraus. Er griff wieder danach, doch diesmal sollte er etwas für sein Geld tun.
»Ist das hier Little Calcutta?«, fragte ich.
»Was?«
»Hinter dem Zaun, ist das Little Calcutta?«
»Kann sein.« Er hustete und schlug sich mit seiner vierfingrigen Hand auf die Brust.
»Wie viele seid ihr hier?«
»Weiß nicht.«
»Waren welche da, die ich nicht gesehen habe, als wir drinnen waren?«
Er überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf.
»Sind überhaupt jemals andere da?«
»Manchmal.«
»Wo sind sie jetzt?«
»Irgendwo in der Gegend.« Er starrte auf das Geld und kam näher.
»Gib mir zwanzig, und die Kleine gehört dir.«
Ich steckte das Geld in die Tasche. Er schaute mich an, als hätte ich ihn betrogen.
»Wie oft soll ich es noch sagen, deswegen bin ich nicht hier«, sagte ich ärgerlich, »ich will nur ein paar Informationen. Du beantwortest meine Fragen, ich zahle, okay?«
»Was soll das, Mann?«
»Ich bin eben neugierig.«
»Bulle?«
»Nein.«
Er zuckte mit den Schultern und massierte sich weiter das Zahnfleisch. Der Finger war blutig, als er ihn wieder aus dem Mund zog.
»Ist das Baby von dir?«
»Keine Ahnung.«
»Sieht aus, als solltest du mal zum Arzt gehen.«
»Ich weiß nicht.«
»Ist die Kleine deine Frau?«
Er lächelte. »Manchmal.«
»Wie heißt du?«
»Terminator.« Er grinste mich an und wartete darauf, dass ich ihn auslachte.
»Also«, fragte ich weiter, »sind noch mehr Leute da drinnen?«
»Hab ich doch gesagt, Mann, jetzt nicht, nur nachts.«
»Sie kommen alle abends zurück?«
»Ja.«
»Jeden Abend?«
Er schaute mich an, als wäre ich schwachsinnig, und schüttelte nachsichtig den Kopf. »Nicht jeden Abend. Die Plätze wechseln.«
»Kennst du jemanden namens Gritz?«
»Wen?«
»Gritz.« Ich wiederholte die Beschreibung, die Coburg mir gegeben
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