Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8
kümmern müssen, anstatt ihn sich selbst zu überlassen.«
»Hatte er schon lange an Psychosen gelitten?«
»Keine Ahnung. Er gehörte nicht zu den Leuten, mit denen man sich einfach zusammensetzt und ein Schwätzchen hält. Die meiste Zeit war er nicht ansprechbar.«
»Woher stammte er denn eigentlich?«
»Oklahoma, aber er hatte schon Jahre in L. A. gelebt.«
»Auf der Straße?«
»Immer, seit seiner Kindheit.«
»Hatte er Familie?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
Er griff zu seinem Telefon. Ich wusste, er würde unser Gespräch jetzt abbrechen. »Welche Art von Musik spielen Sie?« Ich schaute auf seine Krawattennadel.
»Was? Ach das. Ich klimper nur so herum.«
»Ich auch. Während des Studiums habe ich mir damit ein bisschen Geld verdient.«
»Wirklich? Das haben sicher eine Menge Leute gemacht.« Er zog seinen Schlips gerade und blickte zur Decke. Es schien mir nicht zu gelingen, sein Interesse wachzuhalten.
»Spielen Sie mehr akustisch oder elektrisch?«
»In letzter Zeit mehr elektrisch.« Er lächelte. »Was soll das? Wollen Sie sich einschmeicheln bei Ihrem Verhörling? Eins muss ich Ihnen lassen: Wenigstens legen Sie nicht die alte Polizeileier auf und versuchen, mir Schuldgefühle zu verpassen, weil ich auf Davids Seite war, und fragen mich, wie ich damit leben kann, solchen Abschaum zu verteidigen.«
»Nein, damit habe ich keine Schwierigkeiten«, sagte ich. »Das System ist in Ordnung, und Sie spielen eine wichtige Rolle darin.«
»Tolle Rede, Mann. Dabei versuchen wir hier lediglich, ›das System für die Menschen erträglich zu machen, um die es sich nicht schert.«
»Und wie finanzieren Sie sich?«
»Mit Spenden und Stiftungen. Wie wär’s mit einem kleinen Beitrag?«
»Ich werde darüber nachdenken.«
Er grinste. »Sicher werden Sie das. Wie auch immer, wir kommen zurecht - kleine Gehälter und keine Spesenkonten, das ist das ganze Geheimnis. Die meisten Leute, die ich im Moment habe, werden verschwinden, sobald sie ihr eigenes Apartment und ihren BMW haben wollen.«
»Und Sie?«
»Ich bin ein Veteran. Ich bin seit fünf Jahren dabei und habe immer noch nicht genug. Es gibt mir einfach mehr, als Testamente aufzusetzen oder Umweltverschmutzer zu verteidigen. Natürlich, manchmal passieren üble Sachen, und schlimmer als bei David kann es nicht mehr werden. - Was für eine Tragödie. Eine sinnlose, dumme Tragödie. David war vorher nie gewalttätig gewesen, keinerlei Anzeichen. Ich meinte es ernst, als ich sagte, Sie hätten ihn vielleicht gemocht. Er war meistens sanft und passiv, einer meiner einfacheren Klienten. Ein bisschen paranoid, ja, aber nie aggressiv.«
»Wie hat sich seine Paranoia geäußert?«
»Das Übliche. Stimmen im Kopf, die ihm Befehle gaben, sechsmal am Tag dieselbe Straße zu überqueren, zum Beispiel, oder einen Tag lang nur Tomatensaft zu trinken. Lauter solchen Schwachsinn.«
»Machten ihn die Stimmen nicht wütend?«
»Nein, sie regten ihn vielleicht auf, aber wütend konnte man es nicht nennen. Er schien die Stimmen als Teil von sich akzeptiert zu haben. Das sehe ich oft bei langjährigen Psychopathen. Sie gewöhnen sich an ihren Zustand und leben damit, ohne aggressiv oder bösartig zu werden.«
»Solange sie ihre Medikamente nehmen.«
»Ich war überzeugt, dass er das tat. Mir gegenüber hat er sich immer gut benommen.«
»Wie gut haben Sie ihn gekannt?«
»Gekannt? Ich habe nur ein paar juristische Kleinigkeiten für ihn erledigt.«
»Wann haben Sie ihn zum ersten Mal getroffen?«
»Mal sehen... Ich glaube, es war vor einem Jahr.«
»Kam er von sich aus?«
»Nein, das Gericht schickte ihn her.«
»Was war das für ein Diebstahl, weswegen Sie ihn verteidigen sollten?«
»Hat man Ihnen das nicht erzählt?«
»Die Polizei hat mir nicht mehr verraten, als ich unbedingt wissen muss.«
»Sehr schlau, die Polizei. Diebstahl ist eine ziemliche Übertreibung. Er hatte in einem Schnapsladen eine Flasche Gin geklaut und etwas zu knabbern. Der Verkäufer stand direkt daneben und rief nach dem Schutzmann. Ich bin sicher, David wusste gar nicht, was er tat. Der Verkäufer brach ihm fast den Arm, als er ihn festhielt. Davids Strafregister bestand nur aus solchen Geschichten.«
Er steckte alle zehn Finger in sein Haar und begann, sich die Kopfhaut zu massieren. Plötzlich sagte er: »Gritz.«
»Wie bitte?«
»Gritz. Das ist ein Name. Der Typ, den man am ehesten als Davids Freund bezeichnen könnte.«
»Ist es ein Vor- oder Nachname?«
»Keine
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