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Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8

Titel: Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Ahnung. Er tauchte ein paar Mal mit David hier auf. Ebenfalls obdachlos. Ich erinnere mich an seinen Namen, weil ich ihn einmal an der Trennwand dort herumlungern sah. Ich fragte David, wer das sei, und er sagte: ›Gritz. Meine erste Reaktion war genau wie Ihre soeben: Vor- oder Nachname? Er sagte, es wäre sein Name und buchstabierte ihn für mich, ganz langsam. Als wäre es etwas enorm Bedeutungsvolles. Ich nehme an, er hat es sich ausgedacht.«
    »Machte er das öfters?«
    »Was glauben Sie? Er war schließlich schizophren.«
    »Hat er Ihnen gegenüber die Worte ›böse Liebe erwähnt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Das erste Mal, dass ich davon hörte, war von der Polizei. Sie fragten mich, warum David das geschrien haben könnte - als ob ich das wüsste.«
    »Können Sie diesen Gritz beschreiben?«
    Er dachte nach. »Es ist eine Weile her. Er war im selben Alter wie David, obwohl man das Alter solcher Leute schwer schätzen kann. Kleiner als David, glaube ich.« Er schaute auf seine Uhr. »Ich muss jetzt einen Anruf erledigen.«
    Ich stand auf und dankte ihm für seine Hilfe.
    »Haben Sie vielleicht eine Idee, wo ich diesen Gritz finden könnte?«, fragte ich ihn, während er wählte.
    »Nein, keine Ahnung.«
    »Wo hat sich David denn gewöhnlich aufgehalten?«
    »Wo immer man ihn in Ruhe ließ. Wenn es warm war, ging er gern zum Strand. Ansonsten hat er sicher öfter in Little Calcutta gepennt.«
    »Wo ist das?«
    »Unter einer Autobahnbrücke in West L. A.«
    »Welche Autobahn?«
    »Richtung San Diego, direkt hinter Sepulveda. Haben Sie es nie gesehen?«
    »Nein.«
    Er lächelte mich kopfschüttelnd an und legte den Hörer wieder auf. »Die unsichtbare Stadt... Früher standen dort Hütten, die man Gott weiß wann für mexikanische Tagelöhner hingestellt hatte, die in den Obstgärten schufteten.«
    »Daran erinnere ich mich.«
    »Die Stadt hat sie vor einigen Jahren abreißen lassen. Danach sind die Penner dort eingefallen. Es gab nichts mehr abzureißen, und auch sonst gab es keine Möglichkeit, sie auf Dauer wegzubekommen, das wäre viel zu teuer gewesen. Also ließ man sie bleiben.«
    »Little Calcutta.«
    »Ja, eine wunderbare kleine Vorstadt. Gehen Sie hin und schauen Sie sich um, wenn Sie mal Zeit haben.«

13
    Ich fuhr Richtung Osten bis zu der Brücke, die Coburg mir genannt hatte. Die Autobahn als Betonhimmel über einer eingezäunten Schotterwüste, ein Gewölbe von verblüffender Grazie, auf Säulen von antiker Mächtigkeit. Der Schatten war kühl und grau, und obwohl ich alle Fenster geschlossen hatte, hörte ich das Rauschen des Verkehrs unsichtbar über mir auf der Brücke.
    Das Gelände darunter war vollkommen leer. Der Schotter sah aus, als wäre er erst vor kurzem aufgetragen worden. Kein Zelt oder Schlafsack, kein Lebenszeichen.
    Ich drehte, hielt vor einem Selbstbedienungslager von der Größe eines Armeedepots und ließ den Seville im Leerlauf tuckern.
    Little Calcutta. Der frische Schotter ließ auf eine Bulldozer-Orgie schließen. Vielleicht hatte die Stadtverwaltung sich am Ende doch entschieden, den Platz ein für alle Mal zu räumen.
    Ich fuhr langsam weiter und überquerte den Exposition Boulevard. Auf der westlichen Straßenseite waren Wohnblocks, durch einen efeubewachsenen Damm von der Autobahn abgeschirmt, mit abgezäunten, düsteren Baulücken dazwischen. Ich hielt an, um durch den Maschendraht zu spähen. Es war nichts zu sehen.
    Ich fuhr einige Blocks weiter, bis die Autobahn nach rechts abbog, und drehte wieder um. Auf dem Rückweg fiel mir etwas Großes, Glänzendes auf, das mir zuvor entgangen war. Eine Fabrik oder ein Kraftwerk. Riesige Tanks, Rohrgewirr, fünf Stockwerke hohe Leitern und mächtige Hochdruckventile. Parallel zu den Hallen verlief ein rußiger Schienenstrang. Jenseits davon fahle Sandwüste.
    Seit zwanzig Jahren lebte ich nun in L. A., doch diese Landschaft war vollkommen neu für mich.
    Die unsichtbare Stadt.
    Ich fuhr auf die Schienen zu, nah genug, dass ich ein kleines, blau-rotes Schild an einem der Türme lesen konnte: Avalon Schotter- und Asphaltwerke.
    Während ich wieder wendete, bemerkte ich an der Ecke gegenüber der Fabrik eine weitere eingezäunte Fläche, sehr dunkel, fast schwarz im Kernschatten der Autobahn und, von der Straße aus unsichtbar, hinter graugrünen Büschen versteckt. Der Maschendraht davor war mit krummen Sperrholzbrettern verstärkt, die fast lückenlos mit Graffiti zugeschmiert waren.
    Ich fuhr an den Straßenrand, stellte

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