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Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8

Titel: Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sind, mit mir zu reden, Dr. Rosenblatt.«
    »Shirley.« Ihre Stimme war schwach. Das Sprechen bereitete ihr offenbar große Mühe, doch sie war klar zu verstehen. Ihre rechte Schulter hing etwas tiefer als die linke, ebenso das rechte Augenlid.
    Sie küsste Joshuas Hand. Dann sagte sie langsam: »Du kannst jetzt gehen, mein Lieber.«
    Er schaute mich an, dann sie. »Bist du sicher, Mutter?«
    Sie nickte.
    »Gut, dann lasse ich euch jetzt für eine halbe Stunde allein. Aber ich bleibe in der Nähe.«
    Sie ließ seine Hand los. Er beugte sich hinunter und umarmte sie.
    »Bis später.«
    »Bis später, mein Liebling.«
    Ein letzter Blick zu mir, dann war er verschwunden.
    Sie zeigte auf den Korbstuhl. Ich zog ihn heran und setzte mich.
    »Sie sind auch Kinderpsychologe?«
    Ich nickte.
    »Ich glaube, ich erinnere mich an Ihren Namen - von Artikeln - über Angstzustände.«
    »Das ist schon Jahre her.«
    »Jetzt lerne ich Sie also kennen.« Ihre Stimme wurde leiser. Ich rückte näher ans Bett.
    »Schlaganfall«, sagte sie und versuchte, mit den Schultern zu zucken.
    »Joshua hat mir davon erzählt.«
    Sie sah zunächst überrascht aus, dann belustigt. »Dann sind Sie einer der wenigen, die davon wissen. Er will mich ständig beschützen. Er ist so lieb. Alle meine Kinder sind so, aber Joshua ist der Einzige, der noch zu Hause wohnt. Deshalb sehen wir ein bisschen mehr voneinander.«
    »Wo sind die anderen?«
    »Sarah lebt in Boston, als Dozentin für Kindermedizin an der Tufts-Universität. David ist Biologe im Krebsforschungszentrum in Washington.«
    »Sie haben es also alle zu etwas gebracht.«
    Sie lächelte und schaute zum Aquarium. »Ja, und das ist Harveys Verdienst. Sie haben ihn nur einmal getroffen?«
    »Ja.« Ich erzählte ihr die Umstände.
    »Glauben Sie mir: Harvey war der liebste Mann auf der Welt. - Erzählen Sie. Erzählen Sie von meinem Mann.«
    Ich fing an, zu erklären, warum ich nicht glauben konnte, dass er sich umgebracht hatte. Ich berichtete von den anderen Morden, ohne in die grässlichen Einzelheiten zu gehen. Als ich zu meiner Theorie über »böse Liebe« und Vergeltung kam, begannen ihre Augenlider zu zittern. Ich fürchtete, sie schon überfordert zu haben, und wartete, doch sie beruhigte mich: »Bitte, reden Sie weiter.« Als ich fortfuhr, schien sie an Spannkraft zu gewinnen; ihr Blick wurde schärfer, die Analytikerin in ihr schien gegen die Krankheit die Oberhand zu gewinnen.
    Als ich fertig war, deutete sie auf die Kommode und sagte: »Die mittlere Schublade. Dort finden Sie einen Aktenordner.«
    Die Akte lag zwischen Stapeln von Pullovern. Ich wollte sie ihr in die Hand geben, doch sie bat mich, sie aufzuschlagen. Das oberste auf einem dicken Stoß von Dokumenten war Harvey Rosenblatts Zulassung als Arzt.
    »Blättern Sie weiter«, sagte sie.
    Unter diversen Zertifikaten und Ausbildungsnachweisen stieß ich auf sein Testament, dann auf die Todesurkunde und die Beerdigungspapiere.
    »Es müsste bald kommen«, hörte ich sie sagen.
    Sie musste den Polizeibericht meinen, den ich vor mir hatte. Der Autor war ein Kriminalbeamter namens Salvatore J. Giordano, Neunzehntes Revier, Manhattan. Nach seiner
    »Meinung, gestützt auf den beiliegenden ärztlichen Bericht, Fall Nr. 1453331, verstarb das Opfer, Rosenblatt, H. M., männlich, weiß, Alter 59, infolge eines senkrechten Sturzes aus dem im Diagramm gekennzeichneten Fenster B, vom Schlafzimmer besagter Wohnung an der siebenundsechzigsten Straße, und Aufpralls auf den Gehweg vor besagter Adresse.
    Der Sturz folgte aller Wahrscheinlichkeit nach einem willentlich durchgeführten Sprung, da weder erhöhter Blutalkohol noch Drogeneinfluss, noch gewaltsame äußere Einwirkung festzustellen waren. Es gibt keine Spuren eines Kampfes, weder in besagtem Zimmer noch am Fensterrahmen oder Fenstersims, und keinerlei Anzeichen für die Anwesenheit einer anderen Person als des Verstorbenen an besagter Adresse zur Zeit des Sturzes. Weitere Beweisstücke sind Trinkglas A und Geräte B (siehe Diagramm), in Einklang mit Ermittlungsbefunden im Zusammenhang mit dem so genannten East-Side-Einbrecher.«
    Darunter war ein Grundriss, in dem die Türen, Fenster und Möbel des Zimmers eingezeichnet waren, in dem Harvey Rosenblatt die letzten Augenblicke seines Lebens verbracht hatte: ein Bett, zwei Nachttische, zwei Kleiderschränke - einer davon als »niedrig«, der andere als »hoch« bezeichnet -, ein Fernseher, etwas, das als »antik« gekennzeichnet war, und

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