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Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8

Titel: Böse Liebe - Ein Alex-Delaware-Roman 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Harvey in einer fremden Wohnung...«
    Die Erinnerung daran ließ sie vor Scham erröten.
    »Die Leute, die dort wohnten, hat Harvey nicht gekannt?«
    »Das waren kleinliche Leute. Ich rief die Frau an und bettelte, sie sollte doch den Privatdetektiv hereinlassen. Ich entschuldigte mich sogar, ich weiß nicht wofür. Sie sagte nur, ich sollte froh sein, wenn sie uns nicht verklagten, und legte auf.«
    Sie schloss die Augen und rührte sich nicht mehr. Ich fragte mich, ob sie eingeschlafen war, doch dann sprach sie weiter.
    »Harvey war so betroffen wegen dieses Patienten. Normalerweise nahmen ihn Fälle nie so mit. Aber was hat Andres damit zu tun? Wo ist der Sinn?«
    »De Bosch war sein Lehrer gewesen, nicht wahr? Harvey könnte etwas Furchtbares über ihn erfahren haben, deshalb seine Reaktion.«
    Sie nickte langsam, traurig.
    »Wie nah standen sie einander?«, fragte ich.
    »Wie ein Professor und sein Student, nicht mehr. Harvey bewunderte Andres, obwohl der ein bisschen - autoritär war.«
    »Auf welche Weise?«
    »Dogmatisch - wenn er überzeugt war, im Recht zu sein. Harvey fand das seltsam, wo Andres doch gegen die Nazis gekämpft hatte und so leidenschaftlich für Demokratie eintrat. Doch sein persönlicher Stil war manchmal so...«
    »Diktatorisch?«
    »Ja, doch Harvey bewunderte ihn dennoch. Weil er französische Kinder vor der Vichy-Regierung gerettet hatte und wegen seiner Arbeit im Erziehungswesen. Er war wirklich ein hervorragender Lehrer. Von Zeit zu Zeit besuchte ich seine Seminare. Andres hielt Hof wie ein Grande. Er konnte stundenlang reden, ohne dass es langweilig wurde. Voller Witz, jede These knackig verpackt. Manchmal brachte er Kinder mit. Er hatte diese Gabe... sie öffneten sich ihm vollkommen.«
    »Und Katharina? Harvey sagte, sie hätte auch an den Seminaren teilgenommen.«
    »Ja, das stimmt. Sie war selbst noch ein Kind, aber sie redete mit wie die anderen Studenten. Und jetzt ist sie... und all die anderen Leute...« Ihre Wangen zitterten.
    »Haben Sie je Harveys Unterlagen durchgesehen und versucht herauszufinden, um welchen Patienten es sich gehandelt haben könnte?«
    Ein langer Blick, dann ein schuldbewusstes Nicken.
    »Er hat ein Tonbandarchiv geführt. Er schrieb nicht gern wegen seiner Arthritis, deshalb sprach er alles auf Band. Die Polizei habe ich nicht darangelassen, wegen der Patienten, aber später habe ich die Bänder abgehört, habe mir als Entschuldigung eingebildet, dass ich für die Patienten verantwortlich war, bis sie neue Therapeuten gefunden hatten. Ich musste sie benachrichtigen, dass Harvey tot war, also musste ich wissen, wer sie waren. Sitzungen von Monaten. Harveys Stimme... manchmal hielt ich es nicht mehr aus. Doch ich fand nichts, nichts, was ihn desillusioniert haben könnte. Seine Patienten waren wie alte Freunde für ihn. Er hatte jahrelang keine Neuen mehr aufgenommen.«
    »Keinen einzigen?«
    »Nein. Harvey war ein Analytiker alter Schule. Eine Couch, freie Assoziationen, langfristige, intensive Arbeit. Fünfzehn Patienten, drei- bis fünfmal die Woche.«
    »Es könnte auch einer der alten Patienten gewesen sein, der ihn so beunruhigt hatte.«
    »Nein, darauf gab es keinen Hinweis, in keiner der Sitzungen. Keiner seiner alten Patienten hätte ihm etwas zuleide getan. Sie liebten ihn.«
    »Was haben Sie mit den Bändern gemacht?«
    Sie antwortete nicht. Stattdessen redete sie weiter: »Er half diesen Leuten wirklich. Sie waren alle schockiert, als sie von seinem Tod erfuhren.«
    »Haben Sie welche übernommen?«
    »Nein. Ich war nicht in der Lage zu arbeiten, lange Zeit nicht. Selbst meine eigenen Patienten...« Sie versuchte wieder, mit den Schultern zu zucken. »Für eine Zeit brach alles zusammen. So viele Menschen hatten darunter zu leiden. Deshalb habe ich es nicht weiterverfolgt, wegen meiner Kinder und seiner Patienten - seiner großen Familie. Und um meinetwillen. Ich wollte nicht, dass man uns durch den Schmutz zieht, verstehen Sie?«
    »Natürlich.« Ich fragte sie noch einmal, was sie mit den Bändern gemacht hatte.
    »Die habe ich zerstört«, sagte sie, als ob sie die Frage zum ersten Mal gehört hätte. »Ich habe die Kassetten mit dem Hammer zertrümmert, jede einzelne, und dann habe ich alles in den Müll getan.«
    »War Harvey in der Zeit vor seinem Tod auf irgendwelchen Konferenzen? Psychiatrischen Symposien oder Seminaren über Jugendfürsorge?«
    »Nein. Warum?«
    »Weil das vielleicht die Anlässe sind, die den Mörder in Aktion treten

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